26.07.2007, 08:32
Wer war Jesus?
Um das Jahr 30 predigt in einem entlegenen Winkel des Römischen Reiches ein Mann, der eine Weltreligion begründet: Jesus von Nazareth. Auf seine Lehre, seine Gebote, sein Ethos berufen sich seither alle Christen. Doch kann man, nach fast zwei Jahrtausenden, noch etwas über den Menschen erfahren, der dies bewirkte? Wie hat er gelebt? Wo hat er gewirkt? Weshalb wurde er gekreuzigt? Archäologen, Philologen, Theologen und Althistoriker haben sich auf die Spuren des Nazareners gemacht und zeichnen ein überraschendes Bild von Jesus und seiner Zeit.
Pontius Pilatus, der römische Präfekt Judäas, will kein Risiko eingehen. Die Lage in Jerusalem ist angespannt; die Soldaten Roms haben deshalb alle strategischen Positionen besetzt, vor allem an den Stadttoren und in der Festung Antonia oberhalb des Tempelberges.
Doch die Stadt ist schwer zu kontrollieren. Rund um das Plateau des noch unvollendeten Tempels erstrecken sich über Hügel und Täler flache, zumeist zweigeschossige Häuser. Dazwischen ein Gewirr aus Gassen, Plätzen, schmalen Durchlässen. Rund 40 000 Menschen leben hier normalerweise, doch nun drängen sich fast viermal so viele durch die Stadt. Das Passahfest naht, eine der wichtigsten religiösen Feiern im Jahr.
Aus Jodefat und aus Gamla auf dem Golan kommen die Pilger, aus Kapernaum und Nazareth in Galiläa, aus Jericho, aus Alexandria, Griechenland und Rom. Hunderte, die zu Fuß aus Galiläa gekommen sind, waschen den Staub der Wege im Schiloach-Teich ab, andere suchen Gasthäuser für die nächsten Nächte. Manche Juden der Diaspora haben sich zusammengeschlossen und unterhalten eigene Herbergen - die jüdische Gemeinde von Rhodos etwa.
Seit zwei Wochen haben Händler im Vorhof des Tempels ihre Stände zum Markt aufgebaut. Auch auf den anderen Märkten der Stadt werden Getreide, Vieh, Früchte und Holz angeboten. Aus der Oberstadt - jenem Hügel westlich des Tempelberges, wo die Priester und Adeligen residieren - weht der Duft aus der Spezerei-Manufaktur der Priesterfamilie Kathros herüber.
Doch hinter der Ausgelassenheit lauert die Rebellion. Wird das Passahfest nicht zum Gedenken an die Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptischen Knechtschaft begangen? Und ächzt dieses Volk nicht seit Jahrzehnten unter dem römischen Joch? Eine religiös erregte Menge, verhasste Besatzungstruppen, ein heiliger Tag, eine unübersichtliche Stadt - es fehlt nur noch ein Funke, um den Flächenbrand auszulösen.
Da beobachten die Soldaten auf der Jerusalemer Mauer einen Mann, der mit einer großen Anhängerschar über den Ölberg kommt und in die Heilige Stadt einzieht - einen Mann, den sie nie zuvor in Jerusalem gesehen haben.
"Hosanna!â€, rufen die, die dem Unbekannten vorauseilen. "Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!â€
Irgendeiner der Soldaten wird Pilatus diesen spektakulären Einzug an einem der südlichen Stadttore gemeldet
haben. Es gibt keinen Bericht über die Reaktion des Präfekten, doch einiges spricht dafür, dass er zunächst abwarten will. Aber er dürfte nun alarmiert sein und noch nervöser als zuvor.
Es ist der 9. Nisan des jüdischen Kalenders, das 17. Jahr der Herrschaft des römischen Kaisers Tiberius - Sonntag, der 2. April des Jahres 30. Jener Mann, der die Römer in Alarmbereitschaft versetzt, ist Jesus von Nazareth, und er hat noch rund 120 Stunden zu leben.
Der Mann aus Galiläa stiftet die größte Religionsgemeinschaft der Welt. Fast zwei Milliarden Christen berufen sich heute auf ihn. Seit zwei Jahrtausenden gehen Menschen in seinem Namen in den Tod oder begehen in seinem Namen Morde. Ihm zu Ehren schickten Inquisitoren Tausende auf die Scheiterhaufen. Ihm zu Ehren errichteten unzählige Namenlose als fromme Spender und Helfer Kathedralen und Hospize, erhielten all das am Leben, was wir heute unter "Kirche†verstehen.
Doch wer war dieser Jesus von Nazareth, in dessen Namen seit zwei Jahrtausenden Liebe und Leid in die Welt kommen? Seit rund 300 Jahren schieben Wissenschaftler jene unzähligen dunklen Schichten der Überlieferung, die uns von der Antike trennen, nach und nach beiseite, um einen Blick auf den "wahrenâ€, den historischen Jesus zu werfen. Inzwischen haben Historiker und Theologen, Philologen und Archäologen aus verstreuten Funden und wiederentdeckten altjüdischen Texten, aus dem Mauerwerk eines 2000 Jahre alten Dorfhauses und den mürben Planken eines uralten Fischerbootes, aus dem Grab eines Hohepriesters und dem Skelett eines Hingerichteten, aus Münzen, Inschriften und steinernen Gefäßen ein faszinierendes Puzzle zusammengefügt. Sie haben rekonstruiert, wie die Menschen in jener Gegend am Ostrand des Imperium Romanum damals dachten und was sie hofften, woran sie glaubten und was sie hassten.
Dieses Bild ist nach wie vor ein Fragment, aber doch präzise genug für eine Zeitreise auf den Spuren Jesu.
Die wichtigste, aber auch problematischste Quelle zum Leben und Wirken Jesu ist das Neue Testament. Jesus selbst hat keinen einzigen Text hinterlassen. Auch seine Weggefährten, unter denen sich wohl kein Gelehrter befand, haben das, was ihnen wichtig erschien, weitererzählt, nicht aufgeschrieben.
Erst irgendwann zwischen den Jahren 40 und 50 haben Christen, so rekonstruieren es Philologen und Theologen aus den biblischen Texten, viele Sprüche und Gleichnisse des Mannes aus Galiläa gesammelt und niedergeschrieben. Diese "Logienquelle†aber ist längst verschollen.
Die ältesten erhaltenen Zeugnisse sind die nach dem Jahr 50 verfassten Briefe des Paulus. Dieser griechisch gebildete Jude aus dem kleinasiatischen Tarsus aber kannte Jesus nicht persönlich, und wahrscheinlich auch nicht dessen Heimat Galiläa. Und es scheint ihn auch nicht sonderlich interessiert zu haben, denn er liefert, abgesehen von einer Beschreibung des letzten Abendmahles, kaum brauchbare biografische Informationen.
Die finden sich erst bei Markus, Matthäus und Lukas. Nach zwei Jahrhunderten intensiver Textforschung sind sich die meisten Wissenschaftler heute darin einig, dass Markus kurz vor dem Jahr 70 aus mündlich überlieferten Berichten seine "Frohe Botschaft†(griechisch euangelion) niederschrieb. Matthäus und Lukas haben, unabhängig voneinander, aus dem Markus-Evangelium, der Logienquelle und jeweils eigenem Material dann zwischen den Jahren 75 und 100 ihre Werke verfasst. Diese drei eng verwandten, so genannten "synoptischen Evangelien†liefern mehr Informationen als das um das Jahr 100 und wohl unabhängig von ihnen verfasste Johannes-Evangelium.
Alle vier Autoren aber sind längst Schemen geworden. Die Christen der Antike etwa hielten Lukas für einen griechischen Arzt, der Paulus auf einigen Reisen begleitete. Es finden sich ein paar Indizien im Neuen Testament - Lukas schreibt an manchen Stellen "wirâ€, wenn er die Reisen des Paulus beschreibt; in einem Brief des Apostels wird "der Arzt Lukas†erwähnt -, doch Beweise sind das nicht.
Rund 5000 vollständige Manuskripte oder Textfragmente des Neuen Testaments aus der Antike sind bis heute entdeckt worden; das älteste ist ein um das Jahr 125 verfasster ägyptischer Papyrus mit einem Teil des Johannes-Evangeliums. Doch kein einziges Original ist erhalten. Es gibt nur antike Abschriften.
Sicher ist, dass alle Evangelien in Griechisch verfasst worden sind, der Weltsprache der Epoche. Sie sind also "Übersetzungenâ€, denn Jesus, der Galiläer, sprach Aramäisch. Sicher ist ebenfalls, dass schon die ersten christlichen Gemeinden "bearbeitete†Fassungen erstellen ließen, etwa mit einer einheitlichen Schreibweise. Bestimmte Begriffe, wie "Jesusâ€, wurden beispielsweise abgekürzt und durch einen darüber gezogenen Strich gleich gekennzeichnet. Um das Jahr 150 wurde das Neue Testament in seiner heutigen Form zusammengestellt. Andere alte Texte - wie die Logienquelle - wurden fortan nicht mehr kopiert und schließlich vergessen.
Die wichtigste Quelle ist also eine über 100 Jahre nach der Kreuzigung bearbeitete Textsammlung. Angesichts solcher Quellen ist es ungemein schwierig, Authentisches von später Hinzugefügtem oder Verändertem zu unterscheiden. Und Informationen, die den frühen Christen irrelevant erschienen, sind durch diese Bearbeitung oft für immer verloren gegangen.
Denn auch in den seltenen Fällen, in denen doch einmal Fragmente jener später vergessenen Texte auftauchen, hilft das wenig. Das "Thomas-Evangelium†etwa, das 1945 in einer alten christlichen Bibliothek im oberägyptischen Nag Hammadi entdeckt wurde, ist in wesentlichen Abschnitten wohl noch vor dem Jahr 100 verfasst worden. Es enthält 144 Lehrsätze, jeder eingeleitet mit der Formulierung "Jesus sprach†- aber nichts sonst über den Mann aus Galiläa.
Dass Jesus überhaupt real war und nicht ein von Gläubigen geschaffener Mythos, das bezeugen ausgerechnet Nicht-Christen. Die römischen Historiker Sueton (ca. 70 bis ca. 130) und Tacitus (55 oder 56 bis ca. 120) erwähnen ihn. Am wichtigsten aber ist der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus. Er wurde im Jahr 37 oder 38 geboren, beteiligte sich 66 an einem großen Aufstand gegen Rom, lief aber bald zum Gegner über. Für die Römer schrieb er 93/94 das Werk "Jüdische Altertümerâ€, in dem er die Geschichte seines Volkes darstellte. Und dort berichtet er von Jesus als dem "Vollbringer ganz unglaublicher Taten und Lehrer aller Menschenâ€.
Kein Text allein vermittelt viel von Jesus und seiner Welt. Aber alle zusammen, kombiniert mit anderen Ergebnissen der Althistoriker und Archäologen, ergeben doch ein überraschend präzises Porträt des Mannes und seiner Epoche.
Um das Jahr 30 predigt in einem entlegenen Winkel des Römischen Reiches ein Mann, der eine Weltreligion begründet: Jesus von Nazareth. Auf seine Lehre, seine Gebote, sein Ethos berufen sich seither alle Christen. Doch kann man, nach fast zwei Jahrtausenden, noch etwas über den Menschen erfahren, der dies bewirkte? Wie hat er gelebt? Wo hat er gewirkt? Weshalb wurde er gekreuzigt? Archäologen, Philologen, Theologen und Althistoriker haben sich auf die Spuren des Nazareners gemacht und zeichnen ein überraschendes Bild von Jesus und seiner Zeit.
Pontius Pilatus, der römische Präfekt Judäas, will kein Risiko eingehen. Die Lage in Jerusalem ist angespannt; die Soldaten Roms haben deshalb alle strategischen Positionen besetzt, vor allem an den Stadttoren und in der Festung Antonia oberhalb des Tempelberges.
Doch die Stadt ist schwer zu kontrollieren. Rund um das Plateau des noch unvollendeten Tempels erstrecken sich über Hügel und Täler flache, zumeist zweigeschossige Häuser. Dazwischen ein Gewirr aus Gassen, Plätzen, schmalen Durchlässen. Rund 40 000 Menschen leben hier normalerweise, doch nun drängen sich fast viermal so viele durch die Stadt. Das Passahfest naht, eine der wichtigsten religiösen Feiern im Jahr.
Aus Jodefat und aus Gamla auf dem Golan kommen die Pilger, aus Kapernaum und Nazareth in Galiläa, aus Jericho, aus Alexandria, Griechenland und Rom. Hunderte, die zu Fuß aus Galiläa gekommen sind, waschen den Staub der Wege im Schiloach-Teich ab, andere suchen Gasthäuser für die nächsten Nächte. Manche Juden der Diaspora haben sich zusammengeschlossen und unterhalten eigene Herbergen - die jüdische Gemeinde von Rhodos etwa.
Seit zwei Wochen haben Händler im Vorhof des Tempels ihre Stände zum Markt aufgebaut. Auch auf den anderen Märkten der Stadt werden Getreide, Vieh, Früchte und Holz angeboten. Aus der Oberstadt - jenem Hügel westlich des Tempelberges, wo die Priester und Adeligen residieren - weht der Duft aus der Spezerei-Manufaktur der Priesterfamilie Kathros herüber.
Doch hinter der Ausgelassenheit lauert die Rebellion. Wird das Passahfest nicht zum Gedenken an die Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptischen Knechtschaft begangen? Und ächzt dieses Volk nicht seit Jahrzehnten unter dem römischen Joch? Eine religiös erregte Menge, verhasste Besatzungstruppen, ein heiliger Tag, eine unübersichtliche Stadt - es fehlt nur noch ein Funke, um den Flächenbrand auszulösen.
Da beobachten die Soldaten auf der Jerusalemer Mauer einen Mann, der mit einer großen Anhängerschar über den Ölberg kommt und in die Heilige Stadt einzieht - einen Mann, den sie nie zuvor in Jerusalem gesehen haben.
"Hosanna!â€, rufen die, die dem Unbekannten vorauseilen. "Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!â€
Irgendeiner der Soldaten wird Pilatus diesen spektakulären Einzug an einem der südlichen Stadttore gemeldet
haben. Es gibt keinen Bericht über die Reaktion des Präfekten, doch einiges spricht dafür, dass er zunächst abwarten will. Aber er dürfte nun alarmiert sein und noch nervöser als zuvor.
Es ist der 9. Nisan des jüdischen Kalenders, das 17. Jahr der Herrschaft des römischen Kaisers Tiberius - Sonntag, der 2. April des Jahres 30. Jener Mann, der die Römer in Alarmbereitschaft versetzt, ist Jesus von Nazareth, und er hat noch rund 120 Stunden zu leben.
Der Mann aus Galiläa stiftet die größte Religionsgemeinschaft der Welt. Fast zwei Milliarden Christen berufen sich heute auf ihn. Seit zwei Jahrtausenden gehen Menschen in seinem Namen in den Tod oder begehen in seinem Namen Morde. Ihm zu Ehren schickten Inquisitoren Tausende auf die Scheiterhaufen. Ihm zu Ehren errichteten unzählige Namenlose als fromme Spender und Helfer Kathedralen und Hospize, erhielten all das am Leben, was wir heute unter "Kirche†verstehen.
Doch wer war dieser Jesus von Nazareth, in dessen Namen seit zwei Jahrtausenden Liebe und Leid in die Welt kommen? Seit rund 300 Jahren schieben Wissenschaftler jene unzähligen dunklen Schichten der Überlieferung, die uns von der Antike trennen, nach und nach beiseite, um einen Blick auf den "wahrenâ€, den historischen Jesus zu werfen. Inzwischen haben Historiker und Theologen, Philologen und Archäologen aus verstreuten Funden und wiederentdeckten altjüdischen Texten, aus dem Mauerwerk eines 2000 Jahre alten Dorfhauses und den mürben Planken eines uralten Fischerbootes, aus dem Grab eines Hohepriesters und dem Skelett eines Hingerichteten, aus Münzen, Inschriften und steinernen Gefäßen ein faszinierendes Puzzle zusammengefügt. Sie haben rekonstruiert, wie die Menschen in jener Gegend am Ostrand des Imperium Romanum damals dachten und was sie hofften, woran sie glaubten und was sie hassten.
Dieses Bild ist nach wie vor ein Fragment, aber doch präzise genug für eine Zeitreise auf den Spuren Jesu.
Die wichtigste, aber auch problematischste Quelle zum Leben und Wirken Jesu ist das Neue Testament. Jesus selbst hat keinen einzigen Text hinterlassen. Auch seine Weggefährten, unter denen sich wohl kein Gelehrter befand, haben das, was ihnen wichtig erschien, weitererzählt, nicht aufgeschrieben.
Erst irgendwann zwischen den Jahren 40 und 50 haben Christen, so rekonstruieren es Philologen und Theologen aus den biblischen Texten, viele Sprüche und Gleichnisse des Mannes aus Galiläa gesammelt und niedergeschrieben. Diese "Logienquelle†aber ist längst verschollen.
Die ältesten erhaltenen Zeugnisse sind die nach dem Jahr 50 verfassten Briefe des Paulus. Dieser griechisch gebildete Jude aus dem kleinasiatischen Tarsus aber kannte Jesus nicht persönlich, und wahrscheinlich auch nicht dessen Heimat Galiläa. Und es scheint ihn auch nicht sonderlich interessiert zu haben, denn er liefert, abgesehen von einer Beschreibung des letzten Abendmahles, kaum brauchbare biografische Informationen.
Die finden sich erst bei Markus, Matthäus und Lukas. Nach zwei Jahrhunderten intensiver Textforschung sind sich die meisten Wissenschaftler heute darin einig, dass Markus kurz vor dem Jahr 70 aus mündlich überlieferten Berichten seine "Frohe Botschaft†(griechisch euangelion) niederschrieb. Matthäus und Lukas haben, unabhängig voneinander, aus dem Markus-Evangelium, der Logienquelle und jeweils eigenem Material dann zwischen den Jahren 75 und 100 ihre Werke verfasst. Diese drei eng verwandten, so genannten "synoptischen Evangelien†liefern mehr Informationen als das um das Jahr 100 und wohl unabhängig von ihnen verfasste Johannes-Evangelium.
Alle vier Autoren aber sind längst Schemen geworden. Die Christen der Antike etwa hielten Lukas für einen griechischen Arzt, der Paulus auf einigen Reisen begleitete. Es finden sich ein paar Indizien im Neuen Testament - Lukas schreibt an manchen Stellen "wirâ€, wenn er die Reisen des Paulus beschreibt; in einem Brief des Apostels wird "der Arzt Lukas†erwähnt -, doch Beweise sind das nicht.
Rund 5000 vollständige Manuskripte oder Textfragmente des Neuen Testaments aus der Antike sind bis heute entdeckt worden; das älteste ist ein um das Jahr 125 verfasster ägyptischer Papyrus mit einem Teil des Johannes-Evangeliums. Doch kein einziges Original ist erhalten. Es gibt nur antike Abschriften.
Sicher ist, dass alle Evangelien in Griechisch verfasst worden sind, der Weltsprache der Epoche. Sie sind also "Übersetzungenâ€, denn Jesus, der Galiläer, sprach Aramäisch. Sicher ist ebenfalls, dass schon die ersten christlichen Gemeinden "bearbeitete†Fassungen erstellen ließen, etwa mit einer einheitlichen Schreibweise. Bestimmte Begriffe, wie "Jesusâ€, wurden beispielsweise abgekürzt und durch einen darüber gezogenen Strich gleich gekennzeichnet. Um das Jahr 150 wurde das Neue Testament in seiner heutigen Form zusammengestellt. Andere alte Texte - wie die Logienquelle - wurden fortan nicht mehr kopiert und schließlich vergessen.
Die wichtigste Quelle ist also eine über 100 Jahre nach der Kreuzigung bearbeitete Textsammlung. Angesichts solcher Quellen ist es ungemein schwierig, Authentisches von später Hinzugefügtem oder Verändertem zu unterscheiden. Und Informationen, die den frühen Christen irrelevant erschienen, sind durch diese Bearbeitung oft für immer verloren gegangen.
Denn auch in den seltenen Fällen, in denen doch einmal Fragmente jener später vergessenen Texte auftauchen, hilft das wenig. Das "Thomas-Evangelium†etwa, das 1945 in einer alten christlichen Bibliothek im oberägyptischen Nag Hammadi entdeckt wurde, ist in wesentlichen Abschnitten wohl noch vor dem Jahr 100 verfasst worden. Es enthält 144 Lehrsätze, jeder eingeleitet mit der Formulierung "Jesus sprach†- aber nichts sonst über den Mann aus Galiläa.
Dass Jesus überhaupt real war und nicht ein von Gläubigen geschaffener Mythos, das bezeugen ausgerechnet Nicht-Christen. Die römischen Historiker Sueton (ca. 70 bis ca. 130) und Tacitus (55 oder 56 bis ca. 120) erwähnen ihn. Am wichtigsten aber ist der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus. Er wurde im Jahr 37 oder 38 geboren, beteiligte sich 66 an einem großen Aufstand gegen Rom, lief aber bald zum Gegner über. Für die Römer schrieb er 93/94 das Werk "Jüdische Altertümerâ€, in dem er die Geschichte seines Volkes darstellte. Und dort berichtet er von Jesus als dem "Vollbringer ganz unglaublicher Taten und Lehrer aller Menschenâ€.
Kein Text allein vermittelt viel von Jesus und seiner Welt. Aber alle zusammen, kombiniert mit anderen Ergebnissen der Althistoriker und Archäologen, ergeben doch ein überraschend präzises Porträt des Mannes und seiner Epoche.
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