29.08.2010, 13:07
So, dann wollen wir mal wieder für Nachschub sorgen
Der Nebel zog sich trotz des warmen Wetters an den Hochhäusern Alt-Mombasas hoch. Nur die höchsten Gebäude, aus dem späten 25. Jahrhundert, überragten die graue Kälte, die die Nebelwand darstellte. Es war unmöglich für ihn diese modern anzuschauenden Gebäude zu verstecken.
Die tückische Stille wurde durch das Brummen von Schiffsmotoren unterbrochen. Leise drang das Summen durch die verlassenen Gassen hindurch, die vor kurzem noch mit beschäftigten Touristen oder aufgeregten Beamten gefüllt waren. Der Schleier aus Nebel schob sich kaum erkennbar zur Seite als er einen UNSC-Pelican passieren ließ.
Er flog knapp zwanzig Meter über der sonst so überfüllten Hochgeschwindigkeitsstraße.
Für die, die es nicht rechtzeitig aus der Stadt geschafft hatten hielt die Ausgangssperre noch immer an. Uns so standen die vielen Elektroautos verwahrlost auf der Straße herum. Wartend auf ihre rechtmäßigen Herren.
Die Verlustzahlen der UNSC-Truppen waren entsetzlich. Sie waren einfach zu hoch. Und dabei hatte der Angriff der Allianz auf die Erde gerade erst begonnen.
Aber die Verlustzahlen sollten sich nicht nur auf die menschliche Seite beziehen.
Die Marine-Kompanie aus dieser Gegend hatte sich nicht mehr gemeldet. Egal auf welcher Frequenz man sie anfunkte, nur statisches Rauschen antwortete einem. Sie befanden sich nun so ziemlich in der Nähe des Zentrums von Alt-Mombasa. Es war nicht schwer zu übersehen. Die unzähligen grau-blauen Hochhäuser waren ein idealer Wegweiser.
Der Pelican, mit der ID-Kennung Victor 023, ging höher, als die Straßen zu eng wurden, teilweise in Tunnel oder über kleine Brücken führten. Der Pilot beschloss auf einen der mittelgroßen Wolkenkratzer zu landen. Da sie nicht so hoch waren, eignete sich ihre (vom Nebel verborgene) flache Dachfläche als idealer Landeplatz.
"Ich geh runter", verkündete der Pilot.
Das Fahrwerk fuhr aus und der Vogel sank langsam tiefer. Sanft setzte er auf dem Dach aus Titanium-A auf und neun Marines sprangen heraus. Sie verteilten sich auf dem Dach und sondierten die Umgebung.
Alles sicher - fürs erste.
"Ihr kennt den Plan", rief der Pilot aus dem Cockpit des D77-Landungsbootes. "Ihr stoßt zu der Marine-Einheit in diesem Stadtteil vor und erledigt mit ihnen diese Allianzler. Alles klar?"
"Du erzählst mir nichts neues, Victor", sagte der Sergeant.
"George, verdammt noch mal! Ich heiße George, nicht Victor! Wann lernst du das mal?"
Der Sergeant ignorierte die wüste Aussage. "Ich sag bescheid, wenn du uns holen kannst."
"Logo." Der Pilot grinste. Ein gereizter Unterton war trotzdem zu hören.
"Dann passt mal auf euch auf", rief der Copilot. Er musste fast schon brüllen, um das Dröhnen der Schiffsmotoren zu übertönen. Der Pilot wandte sich ihm zu. "Halt endlich die Schnauze und trink deine Milch."
Beleidigt drehte sich der Copilot wieder halb ins Cockpit. Dann sagte er im Flüsterton: "Das sagt ausgerechnet jemand, den ich letzte Woche spielend unter dem Tisch gesoffen habe."
"Halt bloß die Klappe, du ...", sagte George grinsend.
"Was? Hast du was gesagt?", fragte der Sarge aus dem Laderaum. Er hatte nicht alles verstanden.
"Ach nichts, nichts", log der Pilot - George.
"Schon klar", grinste der Sergeant und verließ als zehnter Soldat den Pelican.
Nur wenige Sekunden später hob Victor 023 ab und verschwand im Nebel.
Die Marines (eigentlich waren es keine regulären Marines, sondern ODST-Soldaten) versammelten sich auf dem Dach. Sie waren die Spezialsoldaten des UNSC. Man nannte sie Helljumper. Höllenspringer. Sie sprangen mit den Füßen voran einem Planeten entgegen - und dem Kampf.
Doch heute war alles anders.
Wer hatte schon gedacht, dass die Allianz gerade jetzt die Erde angreifen wird? Es war alles so schnell gegangen. Es bestand noch nicht einmal die Möglichkeit mit ihren HEV-Ab-sprungkapseln zu starten. Der Pelican musste sie von der In Amber Clad hierher bringen. Es blieb ihnen noch nicht einmal die Gelegenheit ihre schwarzen Rüstungen anzuziehen. (Sie trugen sie ja nicht rund um die Uhr So fand man sie in dem üblichen Marine-Outfit vor.
Der Sergeant trat näher. Er hatte den Rang eines Sergeant Major. Im Grunde kannte niemand in der Einheit seinen richtigen Namen. Der Sarge sprach selten aus seinem Leben. Seine Leute nannten ihn nur "Sarge" oder "Mr. B" - wobei "Sarge" wie ein gewöhnlicher Name verwendet wurde.
Warum auch immer.
Einer der Marines hatte behauptet mal aufgeschnappt zu haben, dass der Name des Sergeants mit "B" anfängt. Er hatte mal versucht heimlich die Hundemarke des Sergeants anzuschauen. Doch der Sarge trug sie steht’s unter seiner Armierung.
Als einzige Antwort des Sergeants auf den Bespitzelungsversuch kam: "Gib mir fünfzig, Privat!" Es folgten etliche Liegestütze.
Der Sergeant stand einige Sekunden nur still da und musterte seine voll einsatzbereite und bewaffnete Einheit.
Sie hatten, wie jeder ODST auch, sich Tatoos stechen lassen. Normalerweise waren es brennende Kometen oder dergleichen. Doch diese hier waren anders. Genau wie die Soldaten selbst. Sie waren einfach individuell.
Da war zum einen Harris. Er war der Scharfschütze der Truppe. Er wirkte neben seinem S2-AM relativ klein. Aber man sollte sich davon nicht täuschen lassen. Harris traf Ziele, die die anderen noch nicht einmal sehen konnten. Das Tatoo auf seinem Oberarm war ein ODST. Er lag im Gras und spähte durch das Visier seines Scharfschützengewehres. Auf der Suche nach Beute.
Ein wahrer Freak in Sachen Schnellfeuerwaffen war Privat Maximilian Veers. Er konnte alles abfeuern, was einen Abzug besaß. Als Tatoo hatte er einen ODST an einem MG-Geschütz. Der Soldat war bis zu Hüfte unter einem Berg aus verbrauchten Patronenhülsen vergraben. Er war nebenbei ein leidenschaft-licher Sciencefiction-Fan.
Collin Sinclair war der Funker der Einheit. Neben der Bewaffnung trug er eine vollständige Funkausrüstung mit sich herum. Wenn er wollte, dann konnte er auch mit der Allianz quatschen. Wie gesagt: wenn er wollte. Wie nicht anders zu erwarten, war sein Tatoo ein Abbild seiner Selbst: Ein Soldat, der in den Hörer seiner Ausrüstung brüllte, die mit dem Rucksack und Antenne verbunden war.
Ein im Wasser schwimmender Ball, der als ODST-Helm angemalt war, bildete die Tätowierung von Privat Wilson. Er hatte einmal behauptet, er habe einen Film gesehen wo ein gleichnamiger Volleyball die heimliche Hauptrolle spielte. Er hatte lediglich johlendes Gelächter geerntet.
Davis behauptete er könne alles dem Erdboden gleich machen, was nicht Niet- und Nagelfest war. Und mit dem Rest würde er auch noch fertig werden, meinte er. Davis war der Sprengspezialist der ODST-Einheit. Der Soldat an seiner Schulter hatte sich mehrere Stangen Dynamit um den Bauch gebunden und hielt grinsend den Automatikzünder in der Hand.
Der Sergeant meinte er sähe fast schon wie ein Selbstmordattentäter aus. Davis meinte darauf nur er wäre der Terrorist, der die Covis (insbesondere seine Lieblinge: die Grunts) ordentlich Feuer unterm Hintern machen würde.
Der mit Abstand schönste Teil der Einheit war die Soldatin Linda Nolan. Bevor sie dem Marine-Corps beitrat, hatte sie als Krankenschwester gearbeitet. Im Prinzip führte sie heute noch dieselbe Tätigkeit aus. Sie war der Sanitäter der ODSTs. Es gab wohl keinen der Männer, der sich nicht freiwillig von ihr verarzten lassen wollte. Wer konnte schon ihren blauen Augen und den bewundernswerten Charme widerstehen?
Wer allerdings bei Linda ein Tatoo suchte, suchte vergeblich. Auf dem ersten Blick hatte sie keins. Wilson hatte das Gerücht verbreitet, dass ihr Tatoo in der Nähe ihres Bauchnabels war. Angeblich sei es eine Soldatin mit Sanitäterausrüstung. Statt des üblichen schwarzen Helms zierte ein langer brünetter Pferde-schwanz und eine Krankenschwestermütze den Kopf. Ihr wohlgeformter Körper kniete verarztend am Boden.
Naja, abgesehen von demjenigen, der das Tatoo gestochen hatte und Linda selbst, dürfte niemand je die Tätowierung gesehen haben. Ob sie wohl einen Freund hat? Hmm. Wer weiß das schon. Wilson hoffte, dass dem nicht so war...
Der humorvollste Marine in der ODST-Einheit war wohl Smith. Egal wie schlecht die Lage war, er schaffte es immer der Sache etwas Positives abzugewinnen. Er war es auch gewesen, der versucht hatte die Hundemarke des Sergeants zu lesen. "Einmal und nie wieder!", hatte er nur danach gesagt.
Der Tatoosoldat auf seiner rechten Schulter stützte sich mit einer Hand auf sein Schrotgewehr. Mit der anderen zeigte er das Victoryzeichen.
Früher hatte er mal ein anderes gehabt. Damals war der Soldat in einem Warthog gesessen und zeigte grinsend dieselbe Geste. Es hatte sich auf der linken Schulter befunden. Doch bei einem Einsatz wurde er von Nadelwerferprojektilen getroffen. Aus einem Nadelwerfer, wie ihn die Grunts gerne benutzten. Sie waren in die Schulter eingedrungen und explodiert. Nolan konnte zwar das Schlimmste verhindern, aber von dem Tatoo blieb nicht mehr viel übrig. Und seitdem konnte Smith seinen linken Arm nicht mehr richtig bewegen.
Er nahm es trotzdem gelassen und ließ sich ein neues Tatoo stechen - auf der anderen Schulter.
Das genaue Gegenteil von Smith war Federov. Er hatte selten gute Laune, und wenn Smith des Öfteren einen schlechten Witz über ihn erzählte, fuhr Federov gerne mal auf der Haut. Oft entbrannte eine heftige Diskussion zwischen den beiden. Aber der Sergeant wusste, dass es Federov nie wirklich ernst mit Smith meinte. Er suchte nur immer gern eine Gelegenheit, Smith eins auszuwischen. Die beiden waren leidenschaftliche Konkurrenten.
Hauptsächlich arbeitete Federov mit einem M19 SSM-Raketenwerfer. Aber er hatte sich heute nur für ein M90-Schrotgewehr entschieden. Eine Bazooka im offenen Straßenkampf konnte oft zu Komplikationen führen, die sich der gebürtige Russe nicht leisten konnte.
Er war größer und muskulöser als die anderen. Auf seinem muskelbepackten Bizeps war ein herab springender ODST. Er zielte mit dem Raketenwerfer in Richtung Boden. Am Ellenbogen stand ein golden gepanzerter Elitekrieger - der von der abgefeuerten Rakete in die Luft gesprengt wurde.
Zum Schluss war da noch eine Art Problemfall unter den ODSTs. Und zwar in Form eines Lieutenants. Er hieß Mike O’Donnell. Zwar respektierte er die jetzige Befehlshierarchie unter dem Kommando des Sergeants, aber er neigte dazu dies öfters mal zu vergessen. In ihm schimmerte der pure Rebell durch. Im Kampf konnte das zum Problem werden. An seiner Loyalität musste O’Donnell noch kräftig arbeiten.
Ansonsten war er eigentlich ganz in Ordnung. Ausgenommen seinen verrückten Musiktick! Mike findet es einfach wahnsinnig cool, eine Speicherdisk (natürlich voller Musik) im Helm einzulegen und dann abzuspielen - nicht selten auf der Teamfrequenz. Zwar hatte der Sarge schon des Öfteren Disks von O’Donnell konfisziert, aber der Marine schaffte es immer wieder sich neue zu besorgen.
Passend dazu lehnte sich sein Tatoosoldat gelassen gegen die Wand, hatte das Gewehr über die Schulter gelegt und aus seinem Helm drangen Musiknoten. Wieder mal diese verdammte Musik!
Der Sergeant schaute sich auf dem flachen Dach kurz um. Der Nebel lichtete sich allmählich. Er blickte kurz auf sein eigenes Tatoo: Ein ODST-Sergeant der vom Himmel sprang und dabei zwei Pistolen abfeuerte (etwa so ähnlich wie das Tatoo von Federov).
Er schüttelte die Gedanken aus seinem Kopf. Wie lange hatte er seine Einheit überhaupt gemustert? Zehn Minuten? Oder doch nur zehn Sekunden. Es war sich nicht sicher. Er legte sich sein Kampfgewehr um und zog seine Mütze, die eines Marine-Sergeants, von seinem kahl rasierten Schädel. Er knetete sie kurz in den Händen.
"Helljumpers", sagte er zu seiner Einheit und setzte die Mütze wieder auf. "Lasst uns auf die Jagd gehen!"
Menschliche Architektur. Wie primitiv! Bis in den Himmel ragende Gebäude aus Stein und Metall, ein wahres Labyrinth aus Straßen, überall der Schrott dieser Menschen.
Der Ultra-Sangheili rümpfte die Nase. Dieser verdammte Ort stinkt genauso wie er aussieht: Fürchterlich!
Suma ’Sontomee war enttäuscht. Hatte er sich jemals etwas zu Schulden kommen lassen? Er war ein fähiger und loyaler Elitekrieger der Allianz-Streitkräfte - loyal sich selbst gegenüber. Nicht umsonst trug er eine auf Hochglanz polierte weiße Kampfrüstung. Er konnte eine ganze Reihe an Erfolgen aufzählen. Hunderte Einsätze ... alle waren ein purer Erfolg geworden und eine erbärmliche Niederlage für die Menschen. (Und diverse Spezies, gegen die die Allianz vor dem Krieg gegen die Menschheit in die Schlacht zog. Wie die Kaleesh oder diese Sialesh ... widerliche Kreaturen.)
Aber das spielte jetzt keine Rolle.
Tatsache ist, dass er in dieser von den Menschen erschaffenen Einöde kämpfen musste. Es war einfach keine Herausforderung für ’Sontomee. Er wollte einen Kampf. Aber hier, im Zentrum von Alt-Mombasa gab es nichts.
Naja, außer dieser Barrikade, die einige Menschen errichtet hatten. Damit hatten sie den größten Teil der hier operierenden Allianz-Truppen dezimiert. Vorzugsweise auch durch Guerillataktiken. Der Scarab des Unheils war zu dieser Zeit gerade auf den Weg in die äußeren Stadtgebiete (in Richtung Tal'galar - Norden, wie die Menschen es bezeichneten), als er Befehl hatte zurück zukommen.
Also kehrten sie zum Zentrum zurück.
Sie kehrten den sandsteinfarbenen Wohnhäusern den Rücken und überquerten die Brücke. Davon gab es zwei, die über den gigantischen Wassergraben ins Stadtzentrum führten.
Die Menschen waren schnell ausgemacht. Das war auch kein Kunststück. Die lächerliche Straßensperre der ungläubigen Menschen war kaum zu übersehen. Auf den zweiten Blick hin wirkte sie sogar größer als man dachte - wenn man sich jedenfalls auf den direkten Asphalt der Straße befand. Dann war die Barrikade aus Stahl und Beton ein richtiges Monument.
Noch bevor der mächtige Kampfläufer in Sicht gekommen war, hatte ’Sontomee Kontakt zu dem dortigen Zeloten verschafft und sein Kommen angekündigt.
Im selben Moment hatten die Allianz-Krieger - allesamt von der Euphorie gepackt - begonnen Ori'dush zu brüllen. Die zu Tausenden zu ihm hinauf tönenden Rufe hallten noch immer in seinem Kopf wider. Ori'dush, Ori'dush, DOOSH, DOOSH, DOOSH - Unheil, Unheil!
Mit einem schämigen Grinsen konnte sich ’Sontomee die daraufhin auftretende Verwirrung der Menschen vorstellen, die mit der Situation völlig überfordert waren. Im Dreck ihres hohe Monuments hockend, zitternd, unwissend.
Trotzdem hatte die Barrikade aus der Sicht eines dreißig Einheiten hohen Scarab lächerlich gewirkt.
Selbst die beiden mächtigen Scorpionpanzer wirkten winzig. Ihr Sperrfeuer hatte ihnen ebenso wenig genutzt, wie ihre darauf folgende Flucht. Die Ungläubigen hatten zu spät erkannt, dass sie im Nachteil waren. Viel zu spät.
Die Allianz-Truppen hatten ihre lauten Rufe verdoppelt und aus sicherer Entfernung geschossen. Das Hauptgeschütz des Scarabs erledigte den Rest. Ein Schuss aus der Unheil spendenden Blüte reichte aus um klar zu stellen wer die absolute Überlegenheit im Krieg besaß.
Das supererhitzte Plasma drang spielend durch die Barrikade. Die Marines, die Panzer und der ganze Rest lösten sich in Sekundenbruchteilen auf.
Niemand hätte sie je retten können. Niemand.
Seitdem stampfte der wie ein mutierter Scarabeus wirkende Scarab durch die Straßen. Auf der Suche nach Beute. Aber die gab es leider nicht.
Suma ’Sontomee schritt im Rumpf des Kampfläufers auf und ab. Es war sozusagen die Kommandozentrale des Kampfläufers. Ein halbes Dutzend Golokas standen an holografischen Schalttafeln und Bildschirmen um den Scarab zu steuern.
Der Commander hätte sich für verrückt erklären lassen, wenn er den damaligen Vorschlag angenommen hätte und Nurkas die Steuerung des Läufers überlassen hätte. Nurkas besaßen keine Körperschilde. Falls das Unmögliche eintreffen sollte und sie Auge in Auge gegen Menschen kämpfen sollten, hätte kein einziger Nurka eine Überlebenschance.
Neben den Sangheilis gab es noch ein gutes Dutzend Unggoy und Kig-Yar auf dem Kampfläufer.
Teils hielten sie sich im Rumpf auf, teils auf dem Dach. Doch der Großteil der Truppen berücksichtigte die Tatsache, dass das kühle Innere der Ori'dush mehr Sicherheit vor den lauernden Hinterhalten der Menschen barg. Theoretisch könnten überall Scharfschützen lauern.
Bei den vielen Welten, die die Allianz unterjocht und verglast hatte, hatte allein schon der Anblick eines Scarabs gereicht um den Feind in die hoffnungslose Flucht zu schlagen. Selten bauten die Menschen solch hohe Städte. Aber hier konnten sie sogar auf den Scarab hinab sehen.
Scharfschützen hätten so leichtes Spiel mit denjenigen, die so dumm waren sich auf der Außenplattform aufzuhalten.
"Es hat keinen Zweck", murmelte ’Sontomee vor sich hin.
"Exzellenz?" Einer der Golokas trat näher.
’Sontomee blickte ihn kurz an. Er hatte einmal überlegt Gudilis seiner Lanze hinzuzufügen. Er hatte den Gedanken gleich wieder verworfen. Er konnte keine übermotivierten Anfänger gebrauchen. Das ist nun mal so.
"Wir verschwinden hier."
"Aber wir haben doch die strikte Anweisung jeden einzelnen dieser Ungläub..."
"Das weis ich schon längst", fuhr ihn der Commander ins Wort. "Aber seht Ihr hier Feinde? Nein. Hier sind nur wir. Während der Scarab der Verwüstung mitten in siegreichen Kämpfen steckt, irrt der Scarab des Unheils in diesen Straßen umher." ’Sontomee verschränkte die Arme hinter dem Rücken und spannte die Mandibeln an. Ihm war langweilig. "Wir kehren zur Brücke zurück. Zurück an die Front."
"Sofort, Exzellenz." Der Goloka entfernte sich rasch.
Ein leichtes Holpern ging durch das Schiff. Der Raum bekam eine steile Schieflange, wobei die Unggoys umher purzelten. Der Scarab wendete. "Steht auf, verdammtes Pack!", brüllte ’Sontomee wütend. Er stieß einen Unggoy brutal an. Nichtsnutze, dachte der Sangheili. Die sind zu nichts zu gebrauchen.
Der Scarab bewegte sich ganze drei Einheiten lang in die gleiche Richtung. Auf den Monitoren kam die Autobahnbrücke immer näher. Laut den Berechnungen der Huragok entsprach eine Zeiteinheit der Allianz zirka drei Minuten bei den Menschen. Eine seltsame Rechnung.
"Ach noch eins." Der Commander seufzte tief. "Holt endlich diese verfluchten Kig-Yar vom Oberdeck. Auch den Scharfschützen. Sonst reis ich denen persönlich den Kopf ab." ’Sontomee drehte sich um und fing an vor sich hin zu murmeln. Er war wieder Mal wütend. "Diese Kig-Yar gefährden noch die ganze Mission."
Der Goloka verneigte sich. "Natür..."
Ein Schuss hallte durch die Straßen und sorgte dafür, dass jeder an Bord der Allianz-Kampfmaschine aufsah. Und schon kurz darauf hallten drei weitere Schüsse in der staubigen Luft nach. Im Inneren des Scarabs hörten sie sich gedämpft und harmlos an. Doch das waren sie mit Sicherheit nicht.
Die Sangheilis horchten auf. Den Unggoy wurde es mulmig zumute. Kaum war der Schall der vier Schüsse verklungen kamen zwei neue, heftigere. Sie sorgten für starke Explosionen auf dem Oberdeck, dem Dach.
"Die Schnellfeuergeschütze", flüstere ’Sontomee.
Etwas rumpelte. Ein Huf trat auf die Rampe, die ins Innere des Scarabs führte. Er war zu klein für den Huf eines Sangheili-Kriegers, also musste er zu einem Kig-Yar gehören.
Dem war auch so. Ein schmächtiger Kig-Yar torkelte die Treppe hinunter, stieß gegen die Wand und schlurfte in den Innenbereich des gewaltigen Kampfläufers. Unter Schmerzen schluckte er und rang nach Luft. Sein Energieschild war kollabiert und in seinem Oberkörper klaffte eine schwere Schusswunde. Purpurnes Blut quoll daraus.
Der Kig-Yar blickte seinem Anführer schmerzverzerrt ins Gesicht. Während er schwerfällig versuchte, mit seinen Klauen die Blutung der Wunde zu stoppen und gleichzeitig aufrecht zu stehen, gluckste er.
Er öffnete den mit rasiermesserscharfen Zähnen besetzten Schnabel.
"Un ... Un… Ungläu...bige!"
Kurz darauf stürzte der Soldat vornüber auf den glänzenden Boden. Das dickflüssige Blut floss in Strömen über das gravierte Metall. Eine purpurne Pfütze bildete sich um den Kig-Yar. Er zuckte einmal kurz und blieb dann reglos liegen.
Der Kig-Yar war tot.
Man hatte versucht die Allianz daran zu hindern über die Brücke zu kommen. Zu beiden Seiten. Es war ein hoffnungslosen Unterfangen. Die Allianz hatte hier die Lufthoheit. Das zeigte ja der Kreuzer und nicht zu vergessen der Sturmträger deutlich genug an. Für sie wäre es ein leichtes gewesen an der Kompanie vorbeizukommen. Doch die hohe Anzahl von Menschen lockte die Außerirdischen trotzdem vom Boden aus an.
Und es waren nicht wenige.
Ghosts, Shadows und Wraiths wurden aufgezogen. Vereinzelt auch ein paar Banshees, die in den Häuserschluchten patrouillierten. Zudem noch so viele Fußtruppen, bis die Straßen voll waren. Die Allianz duldete eine solche Kompanie eben nicht und setzte alles daran sie zu beseitigen.
Und doch, hatte es Anfangs gut für die Menschen ausgesehen. Die Marines hatten zwei Scorpion-Panzer besessen und zudem noch fünf Warthogs. Die sechs Meter hohe Barrikade verlieh ihnen zusätzlichen Schutz und einen gewaltigen taktischen Vorteil.
Nach und nach wurden die Allianzler dezimiert. Ihre verzweifelten Angriffe wurden immer unkoordinierter. Dann erschien eine über fünfzig Meter hohe Silhouette zwischen den Häuserschluchten. Der Scarab war gekommen. Er machte kurzem Prozess aus den Resten der Delta-Kompanie und ihrer schwer befestigten Straßensperre.
Nichts blieb übrig.
Sarge ging zusammen mit seiner Einheit aus ODSTs zwischen den Trümmern umher. Wo auch immer die überlebenden Allianz-Truppen waren ... jetzt sind sie fort - es gab keinen Grund mehr hier zu bleiben.
Der Boden war übersäht von Leichen. Allianz - sowie auch UNSC-Soldaten. An fast jeder Ecke lagen Fahrzeugwracks. Brennende, umgekippte Warthogs; nicht wieder zu erkennende Scorpion-Panzer; zerschrottete Ghosts und Shadows; völlig demolierte Wraith-Panzer.
Hier muss die Hölle los gewesen sein.
Federov stieg über Leichen, dicht gefolgt von Smith, zu einem ausgebrannten Warthog. Die toten Marines trugen schwere Plasmaverbrennungen. Doch ein was war heil geblieben. Eine Bazooka. Federov zog sie mühsam aus dem von unglaublicher Hitze verbogenen Hog hervor und schwang sie sich mit Leichtigkeit über die Schulter. Wenn schon mal eine herumlag, dann kann man sie auch mitnehmen.
Smith versuchte nicht auf die Leichen zu blicken. Der Anblick war einfach zu viel für ihn. Er war doch erst Mitte zwanzig. So viele Tote. Und wofür? Nach oben blicken. Einfach nach oben blicken, dachte er sich. Dann siehst du sie nicht. Er blickte zu den Häusern hinauf. Dieser Anblick war auch nicht der Schönste. Die Außenmauern waren von Einschusslöchern durchsiebt. Fenster waren zerschossen oder gar vom Plasma geschmolzen. Rauchsäulen stiegen auf und dahinter waren -
Smith stürzte zu Boden. Worüber war er gestolpert? Der Marine sah auf und blickte direkt in die kalten erstarrten Augen eines toten Menschen. Es war eine Soldatin, Lieutenant vom Rang her. Daneben lagen noch mehr Marines, und Grunts gab es auch noch massenweise.
Voller Entsetzen starrte Smith in die leblosen Augen der Marine. Hektisch und unregelmäßig atmend sprang Privat Smith auf. Er zitterte, hätte beinahe sein Kampfgewehr fallen gelassen. Smith registrierte gar nicht, dass Federov ihn gerade anstarrte. Er blickte stur geradeaus, ohne sich auf irgendeinen Punkt zu konzentrieren. Er hatte noch immer die glasigen Augen und toten erstarrten Lippen der bezaubernden Frau vor seinem geistigen Auge. Er wurde mit dem Gedanken nicht fertig zu glauben, dass diese schöne Frau und all die anderen noch vor einer dreiviertel Stunde gesund und am Leben waren.
Smith war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er kaum die Worte seines Partners mitbekam. "Smith, beweg endlich deinen Arsch, verdammt. Nimm die Munition aus der Karre mit!" Die Stimme hörte sich weit entfernt an. Munition?, dachte er sich. Aber ich hab doch genug davon dabei.
Eine Silhouette lief an einem halb geschmolzenen Panzer vorbei. Sie hielt auf ein rauchendes Etwas zu. Wilson erkannte, dass es sich um Nolan handelte und folgte ihr. Als er näher kam, bemerkte er, dass das rauchende Etwas ein SkyHawk-Jet war. Schwere Einschläge in seiner Flanke hatten den Kampfflieger zum Absturz gebracht.
Es muss ein sehr mächtiges Plasmageschütz gewesen sein, wenn man sich die Schäden ansah - von den Absturzschäden ganz zu schweigen! Der Marine hoffte dass die Hornet-Jäger, die noch in der Luft waren mehr Glück gegen die Banshees haben würden.
"Weist du Linda ...", begann Wilson, als er näher gekommen war.
"Nolan", korrigierte sie.
"... Nolan. Wir sollten uns vom Acker machen. Wir können hier sowieso nichts mehr tun."
"Es sind so viele. Wir sind zu spät gekommen."
"Da hast du wohl Recht Lin...Nolan." Wilson blickte sich um. "Aber hätte es tatsächlich einen Unterschied gemacht, wenn wir hier gewesen wären?"
"Vielleicht. Was glaubst du, hat das hier alles vernichtet?", fragte Nolan, als sie sich zum gehen wandte.
Wilson hatte keine Ahnung. Sein Blick viel wieder auf den SkyHawk. Selbst seine schweren 50mm-Kanonen und die Scorpion-Raketen (ideal für den Angriff auf Panzer geeignet) hatten ihn nicht retten können. Aber was hatte ihn zum Absturz gebracht? Ein Wraith? Nein, die Einschüsse stimmten nicht überein. Ein Wraith-Panzer feuerte Plasmamörser ab. Langsame Kugeln von einem Meter Durchmesser, die einer ballistischen Bahn folgten. Die hätten nie einen Jet getroffen. Dazu gehörte schon Glück. Und zwar eine ganze Menge.
Aber ein Banshee kann es auch nicht gewesen sein. diese Einmannjäger der Allianz sind nicht schnell genug um mit diesem Kampfflieger Schritt zu halten. Aber was war es dann? Was kann einen SkyHawk und all das andere Kriegszeugs vernichtet haben.
Für einen kurzen Moment dachte Wilson, dass vielleicht ein Longsword-Fighter einen Unterschied in der Schlacht gemacht hätte. Aber das war mehr als ungewiss. Ein SkyHawk-Jet war dem Longsword schon fast ebenwürdig.
Wie als ob man ihn gerufen hatte erschien Privat Veers hinter den beiden. "Nur eins ist fähig eine solch starke Verwüstung anzurichten", sagte er mit ehrfürchtiger Stimme. "Der fünfzehn Meter hohe AT-AT-Kampfläufer."
"Oh nein", seufzten Wilson und Nolan gleichzeitig. "Jetzt geht das schon wieder los!"
"Hör mal Veers", begann Nolan gereizt. "Kannst du mich nicht einmal mit deinem Scheiß verschonen? Einmal! Ist das zu viel verlangt?"
"Hey, alles was ich sage ist also Scheiß, ja?", beschwerte sich Veers. "Aber ich vergaß, du bist mal wieder die Klügste hier ..." Er holte mit den Händen weit aus. "Herrgott, deine verfluchten möchtegernklugen Reden gehen mir auf den Geist. Weist du das? Du nervst!"
Nolan verlor die Fassung, sprang nach vorn und packte Veers grob am Kragen. "Sag das noch einmal und ..."
"Ach ja, und dann was?"
Wilson versuchte vergeblich zwischen die beiden Streithähne zu gehen. Aber sie ignorierten ihn einfach. Das einzigste, was Wilson erreichte war, dass sich die Dinge nur noch drastisch verschärften.
"Kann man euch nicht mal für eine Minute aus den Augen lassen?", bellte eine Gestalt, die auf sie zukam.
Wilson fing an zu grinsen. "Hi, Sarge. Sie wissen doch wie das ist. Wir werden nie erwachsen! Wir bleiben immer Kinder und haben unseren Spaß."
Der Sergeant zog eine Augenbraue hoch und musterte Nolan und Veers. Nolan hatte ihn zu Boden gezwungen. Mitten in die Überreste eines Grunts. Beide standen langsam auf. Nolan warf Veers einen giftigen Blick zu und wollte dann etwas zu ihrer Verteidigung sagen, doch der Sarge schnitt ihr das Wort ab.
"Was war es diesmal, Veers? Ein AT-ST?"
"Viel schlimmer", murmelte Wilson. "Der ganz Große"
"AT-TE?"
"Noch größer."
"Ach der. Wie konnte ich das nur vergessen", witzelte der Sergeant, doch sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich sogleich wieder, in Anbetracht der düsteren Lage.
"Ihr habt doch keine Ahnung", beschwerte sich Veers. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah weg.
"Kinder", flüsterte der Sarge.
Das Funkgerät im Helm des Sergeants schaltete sich ein. Die Stimme von Privat Harris war zu hören. Harris hatte sich auf einem der nahe gelegenen Gebäude positioniert. In diesem Stadtteil waren die Häuser nicht allzu groß, als dort wo sie gelandet waren. Man hatte einen besseren Überblick über das Gelände. Relativ gesehen.
"Sarge, es gibt Neuigkeiten. Willst du die gute oder die schlechte zuerst hören?"
"Die gute zuerst", entschied sich Sarge.
"Sinclair, Davis und O’Donnell haben ein leeres Lazarett gefunden", schilderte der Scharfschütze. "Es ist zwar verlassen, aber dafür stehen dort Versorgungskisten rum. In einer kleinen Lagerhalle in den Gassen sind auch welche. Dann gibt’s da noch ein paar Titanium-A-Panzerplatten als prima Deckungsmöglichkeit und ein funktionstüchtiger Warthog. Stell dir vor: Es ist nur eine Ecke von meiner Position entfernt."
"Und was ist mit der schlechten Nachricht?"
"Ich weis jetzt was das Massaker angerichtet hat." Die Stimme klang durch das Funkgerät arg beunruhigt. "Es kommt zurück."
"Was?", rief der Sarge. "Wovon redest du?"
Eine kurze Pause entstand. Doch es wirkte wie stundenlange Funkstille, ein bedrückendes Gefühl.
"Das solltest du dir besser selbst ansehen, Sarge", riet ihm Harris besorgt.
Während der Sergeant gerade ein wichtiges Funkgespräch führte, trat Wilson näher an Nolan heran. So nahe, dass Veers nichts hören konnte.
"Keine schlechte Nummer, Linda", begann er fröhlich. "Machst du das eigentlich mit allen, die du so magst wie ihn?"
Sie wandte sich ihm zu. "Stehst du etwa drauf?", entgegnete Nolan kühl.
"Was? Nein. Was ich meinte war nur ..."
"Glaub mir Wilson", sagte sie und legte ihren Arm um ihn und blickte, ohne ihn direkt anzusehen, verträumt in der Gegend um-her, "mit dir würde ich noch viel verrücktere Dinge anstellen, als du dir überhaupt vorstellen kannst. Natürlich nur wenn ich Lust dazu habe."
Wilson blickte unschlüssig zu Nolan. Es machte ihn nervös, dass sie direkt neben ihn stand und ihren Arm um ihn legte. Er blickte sie an, fasste sich dann aber wieder und sagte: "Wenn, dann nur von dir, Liebes." Er wusste sowieso, dass sie nur Spaß machte.
Nolan lächelte. Sie drehte sich um und legte ihren Kopf neben seinen. Bis ihre Lippen neben seinem Ohr waren. "Sag einfach bescheid, Schatz."
Sie lächelte Wilson noch ein paar Sekunden liebevoll ins Gesicht, drehte sich dann auch schon um und ließ den entgeisterten Marine allein zurück. Wilson hatte keine Ahnung, was er jetzt denken sollte.
"Das solltest du dir besser selbst ansehen, Sarge", hörte Wil-son. Es war Harris, der via Funk mit Mr. B sprach.
Der Sergeant wandte sich um. "Los, Marines, ich kann euch jetzt nicht alles erklären. Zu wenig Zeit! Wir müssen sofort zu Treffpunkt Zulu - Harris’ Position", befahl er hastig und marschierte auch schon im schnellen Tempo los. Die Marines sahen sich an. Wilson hob die Schultern und folgte dem Sarge. Der Rest kam dann schließlich auch nach.
Während Sarge über das kleine Schlachtfeld joggte, öffnete er einen Funkkanal. Es rauschte kurz, dann sprach er ins interne Comlink seines Helms. "Federov, Smith, kommt sofort zu Rück-zugspunkt Zulu. Beeilt euch, sonst verbringt ihr den Rest der Mission mit Stöcken und Steinen als Waffen. Ende."
Normalerweise leuchteten blaue Bestätigungslichter im Helmvisier des ODST-Sergeants auf. Nicht aber bei der üblichen Marinearmierung, die er trug. So hörte er nur zwei Pieptöne, die die Zustimmung seiner beiden Helljumpers signalisierte.
Wilson lief neben Veers her. Er hatte noch immer diesen geis-tesabwesenden Blick drauf. "Sie hat mich Schatz genannt", sin-nierte er vor sich hin.
Veers rollte mit den Augen. "Na und."
"Überleg dir mal was das heißt."
"Liebe und Hass", erklärte Veers ruhig. "Beides führt zu Komplikationen und schließlich zur Ausführung der Order 66."
"Was haben Klone damit zu tun?", fragte Wilson.
Enttäuscht schüttelte Veers den Kopf und schloss die Augen. Öffnete sie aber gleich wieder blitzartig, als er über den Leichnam eines Jackals stolperte. "Da sieht man mal wieder, wie du mir zuhörst", seufzte er lautstark, nachdem er wieder sein Gleichgewicht gefunden hatte.
"Ja, aber sie hat mich trotzdem ,Schatz’ genannt."
"Bilde dir bloß nichts darauf ein." Ein grimmiges Grinsen huschte über Veers’ Gesichtszüge. "Und du glaubst, dass Nolan das wirklich ernst gemeint hat?"
Wilson stoppte und blieb nachdenklich stehen. Daran hatte er nicht gedacht. Er lief weiter und holte zu seinen Leuten wieder auf. Gute Frage. Hatte Linda das jetzt ernst gemeint oder wollte sie mich nur verarschen? Wie damals auf Paris IV? Während sie von der Hauptstraße in schmale Gassen einbogen, gingen Wilson diese Fragen nicht mehr aus dem Kopf.
Schließlich erreichten die Helljumpers fast zeitgleich mit Smith und Federov Treffpunkt Zulu. Jetzt kann der Spaß anfangen.
Das Fadenkreuz des S2-AM-Scharfschützengewehrs pulsierte rot, als es auf die "schlechte Nachricht" zeigte. Der Sergeant blickte durch das Visier der Präzisionswaffe. Er und Privat Harris lagen auf dem flachen Dach eines Gebäudes.
Der Scarab der Allianz stampfte in ihre Richtung. Seine unverkennbare Silhouette war deutlich zu sehen. Das waren wirklich schlechte Nachrichten.
"Wie lange wird er noch brauchen, bis er hier ist?", fragte der Sarge ungeduldig.
"Bei der Geschwindigkeit ... etwa fünfzehn vielleicht auch zwanzig Minuten." Harris dachte kurz nach als er die käferförmigen Umrisse betrachtete. "Bei den Verhältnissen der Gebäude und Straßen helfen ihm auch seine fünfzig Meter hohen Beine nichts."
"Und du bist sicher, dass er hierher kommt?", hackte Sarge nach.
"Ja, Sir", antwortete Harris. "Hier hat er alle menschlichen Streitkräfte ausgelöscht, also wird er über die Brücke wollen, um sich neue Opfer zu suchen." Harris stutzte. "Allerdings scheint es dieser Scarab überhaupt nicht eilig zu haben. Er wäre viel schneller, wenn er die Hauptstraße benutzen würde. Tut er aber nicht. Die Häuser behindern ihn doch nur."
Der Sergeant konnte nun die scharfen Umrisse des Scarabs durch das Zielfernrohr erkennen. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde er immer Furcht einflößender. "Ist auch besser so. Wenn er hier vorbeikommt, dann sollten wir vorbereitet sein.
Der Sergeant ließ Harris mit seinem S2-AM auf dem Dach allein und verschwand.
Während er eilig das Treppenhaus herabstürmte, versuchte er sich einen seiner genialen Pläne zu überlegen.
Ein Allianz-Scarab war ein harter Brocken. Das war klar. Ihn zu knacken würde schwierig sein. sie mussten den Scarab verwirren und ihn dann erledigen. Ihn zu Fall bringen. Es war schier unmöglich - aber machbar.
Wilson, Nolan und Veers waren gerade im Treppenhaus auf den Weg nach oben, als Sarge in entgegen gesetzter Richtung, zwei Stufen auf einmal nehmend an ihnen vorbeihastete.
"Hey Sarge, wohin des Weges?"
"Mach dich bereit Wilson", rief Sarge ohne anzuhalten. "Wir müssen jetzt Kammerjäger spielen - es gibt eine riesen Kakerlake, die geknackt werden muss!"
Der Sarge stürmte zur Tür hinaus. Man hörte noch das Quietschen der Metalltür in den Angeln, als sie zu glitt, dann war es wieder totenstill.
Die drei Marines blickten ratlos drein. Wilson war der Erste, der die Stille unterbrach. "Was zum Henker war denn das für’n Vortrag?" Nolan war genauso ratlos wie er selbst.
Veers hingegen stand wie geschockt da.
"Ich hatte gehofft ihn nie wieder sehen zu müssen", flüsterte er verschwörerisch und zugleich verloren.
"Was meinst du?", fragte Wilson. "So schlimm sieht Mr. B nun auch wieder nicht aus."
"Nein, du Trottel", seufzte Maximilian. "Warte." Der Privat kramte in seiner Tasche, die er sich an den Gürtel geschnallt hatte. Nach ein paar Sekunden holte er einen kleinen Minicomputer hervor. "Erinnert ihr euch noch an Paris IV?", fuhr der Marine fort. Nolan und Wilson nickten.
Nolan blickte auf. "Meinst du wo wir getrennt wurden?"
Veers nickte. "Ja. Während ihr schon wieder auf dem Weg zur In Amber Clad wart, stieg ich und Mr. B ausgerechnet in den falschen Pelican." Er holte tief Luft. "Wir wurden abgeschossen. Der Vogel schmierte ab und wir fanden uns direkt zwischen den Fronten wieder. Ihr kennt ja die verrückte Geschichte wie wir da wieder raus kamen, aber wir waren uns beide einig den Scarab nicht zu erwähnen.
"Scarab? Was ist das?", fragte Nolan perplex.
"Das hier", sagte Veers und aktivierte den Computer. Darauf waren Bilder seiner Helmkamera gespeichert. Es waren meist spektakuläre Aufnahmen, die er in all seinen Einsätzen erlebt hatte. Der junge Mann scrollte durch die Dateien und blieb bei einem Bild stehen.
Er drückte eine Taste und vergrößerte das Bild.
Wilson und Nolan erstarrten, als sie das Bild sahen: Im Hintergrund stieg Rauch auf, ein Dutzend Marines rannte auf den Feind zu. Jäger und Elitekämpfer stellten sich ihnen in den Weg. Ein Panzer brannte. Und über dem ganzen Geschehen stand ein vierbeiniger Kampfläufer - so hoch wie ein Haus. Das Bild des Scarabs war durch und durch Furcht einflößend.
Nolan verstand nicht. Sie wollte nicht verstehen. Dieses Ding war hier? "Und was machen wir jetzt?", fragt sie.
Federov blickte auf seine Missionsuhr, wie sie jeder Marine des UNSC besaß. Eine Missionsuhr war eine Art Stoppuhr, die zu Beginn des Einsatzes gestartet wurde. So hatte man eine genaue Angabe, wie lang die Mission schon dauerte.
Es hatte auch irgendwas mit dem Aufzeichnungsgerät am Helm der Marines zu tun. Aber Federov hatte den Zusammen-hang vergessen.
Die Uhr von Privat Federov zeigte D+01:09:28 Stunden an. er rechnete es kurz im Kopf durch. Um zwei Uhr Nachmittags (1400 Stunden) war ihre Mission gestartet. Also musste es bald 1510 Stunden sein.
Der Scarab war schon fast da, wo er sein sollte.
Er hatte den Raketenwerfer neben sich liegen. Einsatzbereit. Neben ihm lag Smith, er blickte durch das Fernglas auf das herannahende Ungetüm.
Sie hatten sich auf einem flachen Häuserdach verschanzt und warteten die Zeit ab.
Unweit von den beiden Personen lag Harris mit seinem Scharfschützengewehr. Der ODST hatte schon geeignete Ziele auf dem Dach des Kampfläufers ausgemacht. Doch noch zögerte er. Der Scarab war noch nicht nahe genug.
Das Trio befand sich auf einem leicht schrägen Dach. Sie waren hoch genug um von hier aus auf den Scarab geradeso hinab zu sehen, wenn er ankam.
Sie für ihren Teil waren soweit.
"Was ist wenn er uns sieht? Was dann? Womit sehen diese Viecher überhaupt. Infrarot, Wärmesicht, Binokular, Visuell oder sonst was? Was wenn er schießt, Truppen rausschmeißt, uns einfach wie eine Fliege zertritt und so? Verdammt, wir sind verloren! Warum hab ich vorhin auch ,Ja, Sir’ gesagt? Oh man, bin ich blöd!"
"Es ist halb so schlimm, Veers", beruhigte der Sprengstoffspezialist Davis. Die beiden Höllenspringer befanden sich auf der Hauptstraße, die zur Brücke führte. Ein von 7,62mm-Kugeln durchlöcherter Shadow diente als ideales Versteck.
Ein Shadow war ein Versorgungsfahrzeug der Allianz. Er war zwar langsam, dafür aber gut bewaffnet. Der Truppentransporter besaß einen fest montierten Shade über dem Fahrercockpit am Bug. In der Mittelsektion konnte der purpurne Shadow einen Ghost oder Allianz-Bodentruppen (die Anzahl richtete sich nach der Spezies, die mitfährt) befördern.
Veers blickte nervös über die seltsam geformten Sitzplätze im Mittelteil und erblickte erneut den Scarab. Mühelos lies der Kampfläufer eine Häuserwand zu Einsturz bringen, als er auf die offene Straße trat.
Die vier geschwungenen Beine bewegten den Scarab unaufhaltsam in ihre Richtung. Wobei einige Laternenmasten wie Grashalme umknickten, als sie sich dem Monstrum entgegen stellten.
Privat Veers zitterte leicht. Die Anspannung war hoch. Davis hingegen schien so etwas schon tausendmal gemacht haben. Er war völlig ruhig und hielt gelassen die Haftmine in den Händen. Veers musste seine eigene regelrecht fest packen, damit er sie nicht fallen ließ.
Als die ODSTs das Lazarett und die Versorgungskisten gefunden hatten, hatten sie sie sofort durchsucht. Logisch. Aber sie hatten nichts Weltbewegendes gefunden. Munition und - zur Freude von Nolan - erstklassige medizinische Ausrüstung.
Eine der mittelgroßen Kisten hatte es vor allem Davis angetan. Sie war voller "explosiven Zeugs", wie er sagte. C7 Schaumsprengstoff, C12 Plastiksprengstoff und (als kleinen Bonus) vier ANTYLON-Minen. Die Antylon-Minen waren kleiner als die herkömmliche Version. Sie waren tellergroß und waren auf einen Metallaufsatz befestigt worden, mit dem man sie an jeder beliebigen Unterlage anheften konnte.
Mindestens zwei davon würden sie brauchen. Zur Not ging auch eine.
Damit kann man ein richtig schönes Feuerwerk machen, hatte Davis gesagt. Laut seinen verrückten Geschichten waren diese Art von Minen sogar dazu imstande einen Wraith in Stücke zu reißen.
Veers zuckte mit den Schultern. Jede Geschichte von Davis war anders als die vorige. Es war gut möglich, dass er auch von den Moray-Minen gesprochen hatte. Der Privat konnte sich grob daran erinnern, dass er einmal ein Heft von Davis besessen hatte, wo alle wichtigen Minen und Sprengstoffe aufgeführt waren, doch er musste es irgendwo liegen gelassen haben.
Der Scarab stampfte immer weiter auf die Marines zu. Ihr Timing musste perfekt sein, wenn sie ihr (noch) ahnungsloses Opfer angreifen wollten.
Der Kampfläufer war keine hundert Meter mehr entfernt. Erst jetzt sah man seinen Respekt einflößenden Kopf - das Hauptgeschütz.
Die Geschwindigkeit war hoch. Viel zu schnell um die Haftminen an eines der Beine zu heften, wenn der Scarab einfach an ihnen vorbeilief.
Bald würde ein Ablenkungsmanöver starten, welches den Kampfläufer hoffentlich zum Stehen brachte. Wenn nicht sahen die Karten schlecht aus.
Das sollte jetzt aber langsam mal passieren, dachte sich Davis ungeduldig. Sonst ist es zu spät. Jetzt oder nie!
Sie waren einfach nur unvorsichtig. Normalerweise waren es die Grunts, die sich so verhielten. Aber in diesem Fall waren es Jackals. Geierähnliche Außerirdische, einen von scharfen Zähnen besetztes Maul und einen Energieschild am Arm. Es waren drei Jackals, um genau zu sein.
Sie hielten sich auf dem Oberdeck des Scarabs auf, der nun endlich in Position war. Das Dach war in zwei Teile unterteilt. Eine weitläufige Plattform und ein darüber liegender schmaler Steg. Er begann am Hack, direkt über dem hinteren Schnellfeuergeschützes und endete am vorderen Sekundärgeschütz.
Die Jackals waren alle unten.
Harris entspannte den Finger am Abzug. Er suchte sich ein Ziel aus: einen Jackal der keinen Plasmaschild hatte und ein Strahlengewehr trug, er konnte gefährlich werden. Langsam zielte der Schütze und schoss ihm in den Kopf.
Knochen und Blut spritzte in der Ferne umher und ein kopfloser Außerirdischer stürzte vor seinen fassungslosen Kameraden zu Boden.
Der zweite Jackal hielt schützend seinen Energieschild hoch. Aber in die falsche Richtung. Harris betätigte den Abzug und der Jackal teilte das Schicksal seines Artgenossen. Ein paar vereinzelte Plasmaschüsse aus der Pistole des Jackals surrten durch die Luft.
Zwei trafen den Energieschild von Jackal Nummer drei. Der Schild hielt den Plasmaschüssen mühelos stand.
Der letzte Jackal stürmte fluchtartig in Richtung Eingang, der in den sicheren Rumpf des Kampfläufers führte. Privat Harris schoss gnadenlos das 14,5mm-Projektil ab. Es durchschlug den Oberkörper des Feindes. Die Kugel trat aus der Brust aus und schlug in den rechten Arm ein.
Ein zweiter Schuss verfehlte ihn. Der Feind war nach vorn gestolpert und torkelte schwerfällig auf den Eingang zu. Harris schmiss das leere Magazin aus seinem Gewehr heraus, legte hastig ein neues hinein, entsicherte und stellte das Zielfernrohr wieder auf zehnfachen Zoom. Und das in drei Sekunden!
Das einzigste was er sah, war wie der Jackal noch im Eingang verschwand, die Rampe hinunter.
Er war außer Reichweite.
Als Federov die Schüsse von Harris bemerkte, legte er seinen Raketenwerfer an und aktivierte die automatische Zielanvisierung. Prompt schickte er zwei 102mm-Raketen auf die Reise.
Sie fanden ihr Ziel: Die Sekundärgeschütze des Scarabs.
Als die Raketen einschlugen, zerrissen sie förmlich die gefährlichen Kanonen.
"Ich habe drei Jackals erwischt", rief ihm Harris zu. "Aber einer scheint überlebt zu haben."
Smith beobachtete die Sache durch das Fernglas. "Was machst du, wenn ein Jackal auf dich zutorkelt?", fragte er Federov plötzlich.
"Dich vor mich schieben", entgegnete er.
"Quatsch", meinte Smith besserwisserisch. "Nachladen, besser zielen und feuern!"
"Schön für dich." Federov öffnete den leeren Raketenwerfer und holte das verbrauchte Magazin heraus. "Okay, gib mir das Nächste", verlangte er von Smith.
"Hä?"
"Na die Raketenwerferladung für die Bazooka."
"Wie jetzt?"
Federov starrte Smith entsetzt an. Dieser wusste überhaupt nicht was los war. "Ich glaub’s nicht", stöhnte Federov. "Ich hab dir doch gesagt, dass du die Bazookamuni aus dem Hog mitnehmen sollst." Sein Gesicht wurde feuerrot. "Sag mal wie blöd bist du eigentlich? Du Idiot. Womit sollen wir denn jetzt kämpfen? Kannst du mir das sagen? Wegen dir geht hier noch alles schief. Man, wenn Dummheit klein machen würde, dann könntest du unterm Teppich Fahrrad fahren!"
Federov warf den leeren Raketenwerfer beiseite und hob sein geladenes Schrotgewehr auf. "Komm mit", befahl er. "Wir gehen zu den anderen. Es gibt noch Arbeit." Er drehte sich um und lief schnurstracks los.
"Hey ...", sagte Smith irritiert und zaghaft.
"Was?"
"Darf der noch so einfach rumlaufen?" Smith zeigte auf den Scarab-Kampfläufer.
Federov blickte zurück und erspähte den Scarab. Er war stehen geblieben und hatte sich ihnen zugewandt. "Verflucht, wieso steht der denn noch?"
Das Hauptgeschütz des Kampfläufers öffnete sich wie eine Blüte. Es lud sich auf und fing an im Inneren zu leuchten. Der Scarab würde sie alle töten!
Die Geschosse schlugen in den Fünfzig-Meter-Koloss ein. Es gab Explosionen und die Trümmer zweier ehemaliger Plasma-Schnellfeuergeschütze prasselten herunter.
Davis und Veers gingen unter dem Shadow in Deckung, als die glühenden Überreste der Geschütze auf, den von hunderten Plasmaeinschlägen merkwürdig verformten Asphalt einschlugen. Sie gesellten sich zu dem Rest des Schlachtfeldes.
Der Allianz-Scarab war direkt über ihnen.
Er wendete um neunzig Grad.
Eines der Insektenbeine schlug zehn Meter vor den Helljumpers auf den Asphaltboden auf. Tiefe Abdrücke bildeten sich. Der Scarab war stehen geblieben. Es war die ideale Gelegenheit für den Zugriff...
"Jetzt oder nie", schrie Davis und rannte los.
Veers hielt seine Mine fest in den Händen und legte zum Sprint an. Sie rannten auf das stillstehende Bein zu. Davis war als erster da und legte die Antylon-Haftmine an und aktivierte sie. Sofort zog sie sich am Bein des Kampfläufers fest.
Veers tat es ihm gleich. Sie standen unter enormen Zeitdruck. Wenn sich der Scarab auch nur bewegen würde, könnte dieser die beiden Marines mit einer leichten Bewegung in den Tot schleudern.
Ein Statuslicht leuchtete an den Minen auf.
"Sie sind scharf!", warnte Davis. "Weg hier."
Sie rannten wie wild los. Bloß den Abstand zu den Minen vergrößern. Ihr ziel war der Treffpunkt Zulu. Dort würde Davis den Fernzünder für die präparierten Minen aktivieren, den er an seiner Panzerung befestigt hatte.
Dummerweise besaßen die Minen keinen Zeitzünder - das wäre einfacher gewesen. Zumindest hatte Davis keinen Kompatiblen dabei.
Der Scarab hinter ihnen setzte sich erneut in Bewegung. Veers hoffte, dass die beiden nicht durch etwaige Wärmesuchgeräte entdeckt worden waren. Das darf nicht wahr sein. Das konnte nicht wahr sein.
Denn der Scarab-Kampfläufer kam auf die ODST-Soldaten zu.
Eines der vier maschinellen Beine schnellte vor. Geradeso sprangen die beiden Marines zur Seite. Der Scarab beachtete die Marines gar nicht. Stattdessen hielt er kurz vor Treffpunkt Zulu an.
Er war nicht hinter den beiden Marines her.
Es war der Treffpunkt.
Veers und Davis rappelten sich auf und stürmten zum Rückzugspunkt. Kurz davor blieb Davis entsetzt stehen. Mit beiden Händen tastete er seinen Oberkörper ab.
Seine Augen weiteten sich. "Oh nein."
"Was ist denn los?" Veers war völlig außer Atem. Seine Frage wurde nie direkt beantwortet.
Davis rannte zurück auf die Straße. "Verschwinde Veers. Geh zu den anderen", rief er. "Sie sollen sich auf einen harten Kampf gefasst machen, wenn das jetzt nicht hinhaut."
Ohne auch nur ein Wort oder die wertvolle Zeit zu verlieren, stürmte Veers die Gassen. Er rannte eine abfallende Straße in Richtung Lazarett runter und verschwand.
Panisch suchte Davis auf der Straße nach dem Fernzünder. Er hatte ihn verloren. Der Haltegurt war gerissen. Wie konnte ich auch nur so dumm sein. In diesem Durcheinander kann er überall sein ...
Er rannte den Weg zurück, den er gekommen war. Und da ... da war er tatsächlich. Der faustgroße Fernzünder lag mutterseelenallein auf der verwüsteten Straße.
Davis schnappte ihn sich und machte kehrt. Seine Kraft ließ ihn langsam im Stich. Die Anspannung war riesig. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust, sodass er seine Herzschläge hören und fühlen konnte.
Er war noch immer unter dem Ungetüm, als ohne Vorwarnung eine Ladung "Plasmatropfen" vor ihm herunterregnete. Es traf die Straße und schmolz den weichen Asphalt. Davis stoppte keuchend. Sein Blick richtete sich gen Himmel.
Das Hauptgeschütz - Davis war sich sicher, dass es der Kopf war (er hatte noch nie vorher einen Scarab aus nächster Nähe gesehen, so musste sich die Delta-Kompanie gefühlt haben) - das Geschütz hatte sich geöffnet und lud sein Plasma auf. In den nächsten paar Sekunden würde das Monster auf seine Einheit feuern. Auf seine Freunde. Es sah aus als ob sich das Plasma im Geschütz ansammeln würde und der überschüssige Teil nach unten regnete.
Es gab nur diese eine Chance.
Davis wusste, dass er das Richtige tat. Er betätigte den Auslöser und rannte wie von der Tarantel gestochen los.
Hinter sich vernahm er eine heftige Explosion. Die beiden Haftminen hatten das hintere linke Bein zerfetzt. So hörte es sich anscheinend an. Die Überreste segelten in alle Richtungen. Tatsächlich war das Bein nur stark beschädigt worden. Es konnte die Last des Kampfläufers jedoch nicht mehr tragen. Es knickte nach hinten weg. Der Scarab geriet stark ins Wanken.
Nicht darauf achtend, war Davis’ Ziel immer noch der Schutz der dunklen Gassen vor ihm.
Der Scarab taumelte und das mächtige Hauptgeschütz feuerte zur gleichen Zeit. Der Schuss ging daneben. Und wie. Ein gigantischer Plasmastrahl endete ziellos im Himmel. Die Luft erhitzte sich knisternd, als das ionisierte Gas durch den wolkenverhangenen Himmel schoss. Spielend durchschnitt das Plasma die Wolkenpartien, ehe es sich auflöste.
Verzweifelt versuchte der Kampfläufer das Gleichgewicht mit drei Beinen wieder zu finden. Er drehte sich ungeschickt nach links.
Ein Bein rutschte ab und stieß in eines der Häuser ein. Der Scarab kippte. Ein riesiger Schatten näherte sich Davis, der immer noch schwer atmend rannte. Er brauchte sich nicht erst umdrehen um herauszufinden, woher der verhängnisvolle Schatten rührte.
Er hatte die Gassen erreicht. Doch noch konnte er sich nicht sicher fühlen.
Trümmer und tonnenweise Staub wurden aufgewirbelt, als der Koloss vollends das Gleichgewicht verlor und stürzte. Er krachte auf den Boden und blieb reglos liegen.
Der Staub und die enorme Druckwelle schleuderten David gegen die nächste Betonwand. Unsanft schlug er dagegen. Der Putz blätterte von der alten Wand und Davis fiel zu Boden. Das Atmen fiel ihm schwer. Die Luft war voller Staub und er Dank dieser Tatsache mausgrau.
Die Staubwand legte sich schneller als gedacht. Privat Davis konnte schon den Himmel sehen. Es war noch leicht benommen. Alles drehte sich.
Sofort sprang er auf, verlor sogleich wieder das Gleichgewicht und fiel wieder hin.
Er nahm sich mehr Zeit zum Aufstehen und kam sicher auf die Beine. Hinter ihm war ein maschinelles Stöhnen zu hören. Es sah sich nach der Ursache um und musste fast schon lachen, doch der Schmerz in der Brust ließ das nicht zu.
Der Allianz-Scarab lag auf einen riesigen Berg von Schutt und Asche. Besiegt von zwei kleinen Antylon-Minen. Es war beinahe schon die blanke Ironie, die hindurch stach.
Sie hatten den Scarab der Allianz zu Fall gebracht!
Überall sprühten Funken umher. Die indirekte Beleuchtung hatte den Geist aufgegeben. Es war halbdunkel in der kommandozentrale und ließ sie wie den Vorraum zur Hölle wirken. Die linke Wand war buchstäblich zum Boden geworden.
Seine Sicht war leicht verschwommen. Etwas Licht drang durch die starken Risse im Rumpf ein. Der Boden (also die linke Wand) war feucht. Feucht vom Blut. ’Sontomee roch und schmeckte es.
Aber es war nicht sein Blut. Nein, so ein kleiner Aufprall hatte noch nicht einmal die Hälfte seines Schildes dezimiert.
Was der Sangheili da schmeckte war das Blut dieser Gassauger. Dieser Unggoy. Ihr Blut war eine hellblaue, fast zäh-klebrige Flüssigkeit.
Widerwärtig, dachte ’Sontomee und rappelte sich auf. "Ich will sofort einen Bericht haben. Wie konnte das passieren?", bellte er.
Ein Veteran trat im fahlen Licht des Scarabs vor. "Mittlerweile sind sämtliche Kontrollen außer Betrieb", erklärte der Goloka. "Der Scarab hat das Gleichgewicht nach hinten verloren. Ich vermute mal, dass es den Menschen gelungen ist eines der Beine zu sabotieren."
"Wie das?" ’Sontomees Stimme war voller Bosheit. Jeder hier im Raum konnte es regelrecht spüren.
"Nun, ich weis es nicht, Exzellenz."
"Inkompetenz", lechzte ’Sontomee. "Ich hätte es wissen müssen."
Ohne etwas Weiteres zu sagen gab der Commander den Befehl zu Abmarsch. Sie würden das Wrack des Scarabs des Unheils verlassen müssen. Die Menschen, die für diesen Akt der Sabotage verantwortlich waren, würden ihre Tat noch bitter bereuen.
Etwas beunruhigte den Veteranen. Ihr Anführer hatte wie immer versucht ruhig zu wirken. Doch in Wahrheit staute er seine Wut nur auf, so wie ein Staudamm das Wasser. Je mehr er aufstaute, desto größer wird die Last. Und irgendwann bricht der Damm. ’Sontomee würde sich schon ein Ventil suchen, wo er seinen Druck ablassen kann. Der Goloka hoffte, dass er nicht das Ventil sein würde - oder gar der Jenige, der vor dem brechenden Staudamm stehen würde.
Denn die Wutausbrüche des Anführers gingen selten glimpflich aus.
Der aufgewirbelte Staub draußen hatte sich gelegt. Der einst so stolze Kampfläufer war reif für den Schrottplatz. Der stolze Ori'dush war reif für Gallon - einer Welt deren einziger Zweck darin bestand, den Schrott nur noch in sich aufzusaugen und als Müllhalde zu dienen.
’Sontomee und der Goloka von vorhin - er hieß ’Perumee - standen an der oben liegenden Seite des Scarabs.
Wenn der Scarab noch aufrecht stehen würde, dann würden die Sangheilis auf dem Deck liegen und nach unten schauen.
Der Bauch der Maschine zeigte in die Gassen, das Oberdeck in Richtung Hauptstraße, die nach einer Kurve zu einer Brücke führte - ihrem früheren Ziel.
"Was gibt dir die Sicherheit, dass die Menschen dort sind?", fragte der Commander nach, während er in die schmalen Gassen blickte. Rasch zog er aber den Kopf wieder hinter die schützende Bordwand. Auf keinem Fall würde er es den möglichen Scharfschützen so leicht machen.
"Sie haben aus dieser Richtung auf uns geschossen, Exzellenz", sagte ’Perumee.
"Nun gut." ’Sontomee drehte sich um. Soeben kletterten die restlichen Sangheili auf das Deck. Ihnen folgten zwei Kig-Yar und vier Unggoy. Die kleineren Rassen taten sich schwer mit der unnatürlichen Steigung. Die Kig-Yar waren da schon etwas eleganter als die tollpatschigen Unggoys. Weiter verließ niemand das Innere des Scarabs.
Der Rest hatte also nicht überlebt. Es waren einmal sechs Kig-Yar beziehungsweise Unggoy gewesen. Aber das war auch egal. Ob diese minder bewerteten Wesen nun beim Aufprall oder beim Kugelhagel starben, machte keinen Unterschied.
Unggoys waren ebenso wie Kig-Yar ersetzbar.
Ein weiterer Befehl Suma ’Sontomees und die Lanze* des Commanders kletterte über den gefallenen Scarab.
Der Kampfläufer war in zwei Häuserecken gekracht und hatte so eine Verbindungsstraße blockiert. Es schien die einzige Einmündung zu sein.
Nun konnte ’Sontomee mit den Menschen abrechnen.
Kapitel 7
Höllenspringer
1423 Stunden, 20. Oktober 2552
(militärischer Kalender)
unbekannter UNSC-Pelican,
über Alt-Mombasa
Höllenspringer
1423 Stunden, 20. Oktober 2552
(militärischer Kalender)
unbekannter UNSC-Pelican,
über Alt-Mombasa
Der Nebel zog sich trotz des warmen Wetters an den Hochhäusern Alt-Mombasas hoch. Nur die höchsten Gebäude, aus dem späten 25. Jahrhundert, überragten die graue Kälte, die die Nebelwand darstellte. Es war unmöglich für ihn diese modern anzuschauenden Gebäude zu verstecken.
Die tückische Stille wurde durch das Brummen von Schiffsmotoren unterbrochen. Leise drang das Summen durch die verlassenen Gassen hindurch, die vor kurzem noch mit beschäftigten Touristen oder aufgeregten Beamten gefüllt waren. Der Schleier aus Nebel schob sich kaum erkennbar zur Seite als er einen UNSC-Pelican passieren ließ.
Er flog knapp zwanzig Meter über der sonst so überfüllten Hochgeschwindigkeitsstraße.
Für die, die es nicht rechtzeitig aus der Stadt geschafft hatten hielt die Ausgangssperre noch immer an. Uns so standen die vielen Elektroautos verwahrlost auf der Straße herum. Wartend auf ihre rechtmäßigen Herren.
Die Verlustzahlen der UNSC-Truppen waren entsetzlich. Sie waren einfach zu hoch. Und dabei hatte der Angriff der Allianz auf die Erde gerade erst begonnen.
Aber die Verlustzahlen sollten sich nicht nur auf die menschliche Seite beziehen.
Die Marine-Kompanie aus dieser Gegend hatte sich nicht mehr gemeldet. Egal auf welcher Frequenz man sie anfunkte, nur statisches Rauschen antwortete einem. Sie befanden sich nun so ziemlich in der Nähe des Zentrums von Alt-Mombasa. Es war nicht schwer zu übersehen. Die unzähligen grau-blauen Hochhäuser waren ein idealer Wegweiser.
Der Pelican, mit der ID-Kennung Victor 023, ging höher, als die Straßen zu eng wurden, teilweise in Tunnel oder über kleine Brücken führten. Der Pilot beschloss auf einen der mittelgroßen Wolkenkratzer zu landen. Da sie nicht so hoch waren, eignete sich ihre (vom Nebel verborgene) flache Dachfläche als idealer Landeplatz.
"Ich geh runter", verkündete der Pilot.
Das Fahrwerk fuhr aus und der Vogel sank langsam tiefer. Sanft setzte er auf dem Dach aus Titanium-A auf und neun Marines sprangen heraus. Sie verteilten sich auf dem Dach und sondierten die Umgebung.
Alles sicher - fürs erste.
"Ihr kennt den Plan", rief der Pilot aus dem Cockpit des D77-Landungsbootes. "Ihr stoßt zu der Marine-Einheit in diesem Stadtteil vor und erledigt mit ihnen diese Allianzler. Alles klar?"
"Du erzählst mir nichts neues, Victor", sagte der Sergeant.
"George, verdammt noch mal! Ich heiße George, nicht Victor! Wann lernst du das mal?"
Der Sergeant ignorierte die wüste Aussage. "Ich sag bescheid, wenn du uns holen kannst."
"Logo." Der Pilot grinste. Ein gereizter Unterton war trotzdem zu hören.
"Dann passt mal auf euch auf", rief der Copilot. Er musste fast schon brüllen, um das Dröhnen der Schiffsmotoren zu übertönen. Der Pilot wandte sich ihm zu. "Halt endlich die Schnauze und trink deine Milch."
Beleidigt drehte sich der Copilot wieder halb ins Cockpit. Dann sagte er im Flüsterton: "Das sagt ausgerechnet jemand, den ich letzte Woche spielend unter dem Tisch gesoffen habe."
"Halt bloß die Klappe, du ...", sagte George grinsend.
"Was? Hast du was gesagt?", fragte der Sarge aus dem Laderaum. Er hatte nicht alles verstanden.
"Ach nichts, nichts", log der Pilot - George.
"Schon klar", grinste der Sergeant und verließ als zehnter Soldat den Pelican.
Nur wenige Sekunden später hob Victor 023 ab und verschwand im Nebel.
Die Marines (eigentlich waren es keine regulären Marines, sondern ODST-Soldaten) versammelten sich auf dem Dach. Sie waren die Spezialsoldaten des UNSC. Man nannte sie Helljumper. Höllenspringer. Sie sprangen mit den Füßen voran einem Planeten entgegen - und dem Kampf.
Doch heute war alles anders.
Wer hatte schon gedacht, dass die Allianz gerade jetzt die Erde angreifen wird? Es war alles so schnell gegangen. Es bestand noch nicht einmal die Möglichkeit mit ihren HEV-Ab-sprungkapseln zu starten. Der Pelican musste sie von der In Amber Clad hierher bringen. Es blieb ihnen noch nicht einmal die Gelegenheit ihre schwarzen Rüstungen anzuziehen. (Sie trugen sie ja nicht rund um die Uhr So fand man sie in dem üblichen Marine-Outfit vor.
Der Sergeant trat näher. Er hatte den Rang eines Sergeant Major. Im Grunde kannte niemand in der Einheit seinen richtigen Namen. Der Sarge sprach selten aus seinem Leben. Seine Leute nannten ihn nur "Sarge" oder "Mr. B" - wobei "Sarge" wie ein gewöhnlicher Name verwendet wurde.
Warum auch immer.
Einer der Marines hatte behauptet mal aufgeschnappt zu haben, dass der Name des Sergeants mit "B" anfängt. Er hatte mal versucht heimlich die Hundemarke des Sergeants anzuschauen. Doch der Sarge trug sie steht’s unter seiner Armierung.
Als einzige Antwort des Sergeants auf den Bespitzelungsversuch kam: "Gib mir fünfzig, Privat!" Es folgten etliche Liegestütze.
Der Sergeant stand einige Sekunden nur still da und musterte seine voll einsatzbereite und bewaffnete Einheit.
Sie hatten, wie jeder ODST auch, sich Tatoos stechen lassen. Normalerweise waren es brennende Kometen oder dergleichen. Doch diese hier waren anders. Genau wie die Soldaten selbst. Sie waren einfach individuell.
Da war zum einen Harris. Er war der Scharfschütze der Truppe. Er wirkte neben seinem S2-AM relativ klein. Aber man sollte sich davon nicht täuschen lassen. Harris traf Ziele, die die anderen noch nicht einmal sehen konnten. Das Tatoo auf seinem Oberarm war ein ODST. Er lag im Gras und spähte durch das Visier seines Scharfschützengewehres. Auf der Suche nach Beute.
Ein wahrer Freak in Sachen Schnellfeuerwaffen war Privat Maximilian Veers. Er konnte alles abfeuern, was einen Abzug besaß. Als Tatoo hatte er einen ODST an einem MG-Geschütz. Der Soldat war bis zu Hüfte unter einem Berg aus verbrauchten Patronenhülsen vergraben. Er war nebenbei ein leidenschaft-licher Sciencefiction-Fan.
Collin Sinclair war der Funker der Einheit. Neben der Bewaffnung trug er eine vollständige Funkausrüstung mit sich herum. Wenn er wollte, dann konnte er auch mit der Allianz quatschen. Wie gesagt: wenn er wollte. Wie nicht anders zu erwarten, war sein Tatoo ein Abbild seiner Selbst: Ein Soldat, der in den Hörer seiner Ausrüstung brüllte, die mit dem Rucksack und Antenne verbunden war.
Ein im Wasser schwimmender Ball, der als ODST-Helm angemalt war, bildete die Tätowierung von Privat Wilson. Er hatte einmal behauptet, er habe einen Film gesehen wo ein gleichnamiger Volleyball die heimliche Hauptrolle spielte. Er hatte lediglich johlendes Gelächter geerntet.
Davis behauptete er könne alles dem Erdboden gleich machen, was nicht Niet- und Nagelfest war. Und mit dem Rest würde er auch noch fertig werden, meinte er. Davis war der Sprengspezialist der ODST-Einheit. Der Soldat an seiner Schulter hatte sich mehrere Stangen Dynamit um den Bauch gebunden und hielt grinsend den Automatikzünder in der Hand.
Der Sergeant meinte er sähe fast schon wie ein Selbstmordattentäter aus. Davis meinte darauf nur er wäre der Terrorist, der die Covis (insbesondere seine Lieblinge: die Grunts) ordentlich Feuer unterm Hintern machen würde.
Der mit Abstand schönste Teil der Einheit war die Soldatin Linda Nolan. Bevor sie dem Marine-Corps beitrat, hatte sie als Krankenschwester gearbeitet. Im Prinzip führte sie heute noch dieselbe Tätigkeit aus. Sie war der Sanitäter der ODSTs. Es gab wohl keinen der Männer, der sich nicht freiwillig von ihr verarzten lassen wollte. Wer konnte schon ihren blauen Augen und den bewundernswerten Charme widerstehen?
Wer allerdings bei Linda ein Tatoo suchte, suchte vergeblich. Auf dem ersten Blick hatte sie keins. Wilson hatte das Gerücht verbreitet, dass ihr Tatoo in der Nähe ihres Bauchnabels war. Angeblich sei es eine Soldatin mit Sanitäterausrüstung. Statt des üblichen schwarzen Helms zierte ein langer brünetter Pferde-schwanz und eine Krankenschwestermütze den Kopf. Ihr wohlgeformter Körper kniete verarztend am Boden.
Naja, abgesehen von demjenigen, der das Tatoo gestochen hatte und Linda selbst, dürfte niemand je die Tätowierung gesehen haben. Ob sie wohl einen Freund hat? Hmm. Wer weiß das schon. Wilson hoffte, dass dem nicht so war...
Der humorvollste Marine in der ODST-Einheit war wohl Smith. Egal wie schlecht die Lage war, er schaffte es immer der Sache etwas Positives abzugewinnen. Er war es auch gewesen, der versucht hatte die Hundemarke des Sergeants zu lesen. "Einmal und nie wieder!", hatte er nur danach gesagt.
Der Tatoosoldat auf seiner rechten Schulter stützte sich mit einer Hand auf sein Schrotgewehr. Mit der anderen zeigte er das Victoryzeichen.
Früher hatte er mal ein anderes gehabt. Damals war der Soldat in einem Warthog gesessen und zeigte grinsend dieselbe Geste. Es hatte sich auf der linken Schulter befunden. Doch bei einem Einsatz wurde er von Nadelwerferprojektilen getroffen. Aus einem Nadelwerfer, wie ihn die Grunts gerne benutzten. Sie waren in die Schulter eingedrungen und explodiert. Nolan konnte zwar das Schlimmste verhindern, aber von dem Tatoo blieb nicht mehr viel übrig. Und seitdem konnte Smith seinen linken Arm nicht mehr richtig bewegen.
Er nahm es trotzdem gelassen und ließ sich ein neues Tatoo stechen - auf der anderen Schulter.
Das genaue Gegenteil von Smith war Federov. Er hatte selten gute Laune, und wenn Smith des Öfteren einen schlechten Witz über ihn erzählte, fuhr Federov gerne mal auf der Haut. Oft entbrannte eine heftige Diskussion zwischen den beiden. Aber der Sergeant wusste, dass es Federov nie wirklich ernst mit Smith meinte. Er suchte nur immer gern eine Gelegenheit, Smith eins auszuwischen. Die beiden waren leidenschaftliche Konkurrenten.
Hauptsächlich arbeitete Federov mit einem M19 SSM-Raketenwerfer. Aber er hatte sich heute nur für ein M90-Schrotgewehr entschieden. Eine Bazooka im offenen Straßenkampf konnte oft zu Komplikationen führen, die sich der gebürtige Russe nicht leisten konnte.
Er war größer und muskulöser als die anderen. Auf seinem muskelbepackten Bizeps war ein herab springender ODST. Er zielte mit dem Raketenwerfer in Richtung Boden. Am Ellenbogen stand ein golden gepanzerter Elitekrieger - der von der abgefeuerten Rakete in die Luft gesprengt wurde.
Zum Schluss war da noch eine Art Problemfall unter den ODSTs. Und zwar in Form eines Lieutenants. Er hieß Mike O’Donnell. Zwar respektierte er die jetzige Befehlshierarchie unter dem Kommando des Sergeants, aber er neigte dazu dies öfters mal zu vergessen. In ihm schimmerte der pure Rebell durch. Im Kampf konnte das zum Problem werden. An seiner Loyalität musste O’Donnell noch kräftig arbeiten.
Ansonsten war er eigentlich ganz in Ordnung. Ausgenommen seinen verrückten Musiktick! Mike findet es einfach wahnsinnig cool, eine Speicherdisk (natürlich voller Musik) im Helm einzulegen und dann abzuspielen - nicht selten auf der Teamfrequenz. Zwar hatte der Sarge schon des Öfteren Disks von O’Donnell konfisziert, aber der Marine schaffte es immer wieder sich neue zu besorgen.
Passend dazu lehnte sich sein Tatoosoldat gelassen gegen die Wand, hatte das Gewehr über die Schulter gelegt und aus seinem Helm drangen Musiknoten. Wieder mal diese verdammte Musik!
Der Sergeant schaute sich auf dem flachen Dach kurz um. Der Nebel lichtete sich allmählich. Er blickte kurz auf sein eigenes Tatoo: Ein ODST-Sergeant der vom Himmel sprang und dabei zwei Pistolen abfeuerte (etwa so ähnlich wie das Tatoo von Federov).
Er schüttelte die Gedanken aus seinem Kopf. Wie lange hatte er seine Einheit überhaupt gemustert? Zehn Minuten? Oder doch nur zehn Sekunden. Es war sich nicht sicher. Er legte sich sein Kampfgewehr um und zog seine Mütze, die eines Marine-Sergeants, von seinem kahl rasierten Schädel. Er knetete sie kurz in den Händen.
"Helljumpers", sagte er zu seiner Einheit und setzte die Mütze wieder auf. "Lasst uns auf die Jagd gehen!"
Vierter Zyklus, 94 Einheiten
(Allianz-Schlachtenkalender)
Scarab des Unheils, in der Altstadt
Mombasas
(Allianz-Schlachtenkalender)
Scarab des Unheils, in der Altstadt
Mombasas
Menschliche Architektur. Wie primitiv! Bis in den Himmel ragende Gebäude aus Stein und Metall, ein wahres Labyrinth aus Straßen, überall der Schrott dieser Menschen.
Der Ultra-Sangheili rümpfte die Nase. Dieser verdammte Ort stinkt genauso wie er aussieht: Fürchterlich!
Suma ’Sontomee war enttäuscht. Hatte er sich jemals etwas zu Schulden kommen lassen? Er war ein fähiger und loyaler Elitekrieger der Allianz-Streitkräfte - loyal sich selbst gegenüber. Nicht umsonst trug er eine auf Hochglanz polierte weiße Kampfrüstung. Er konnte eine ganze Reihe an Erfolgen aufzählen. Hunderte Einsätze ... alle waren ein purer Erfolg geworden und eine erbärmliche Niederlage für die Menschen. (Und diverse Spezies, gegen die die Allianz vor dem Krieg gegen die Menschheit in die Schlacht zog. Wie die Kaleesh oder diese Sialesh ... widerliche Kreaturen.)
Aber das spielte jetzt keine Rolle.
Tatsache ist, dass er in dieser von den Menschen erschaffenen Einöde kämpfen musste. Es war einfach keine Herausforderung für ’Sontomee. Er wollte einen Kampf. Aber hier, im Zentrum von Alt-Mombasa gab es nichts.
Naja, außer dieser Barrikade, die einige Menschen errichtet hatten. Damit hatten sie den größten Teil der hier operierenden Allianz-Truppen dezimiert. Vorzugsweise auch durch Guerillataktiken. Der Scarab des Unheils war zu dieser Zeit gerade auf den Weg in die äußeren Stadtgebiete (in Richtung Tal'galar - Norden, wie die Menschen es bezeichneten), als er Befehl hatte zurück zukommen.
Also kehrten sie zum Zentrum zurück.
Sie kehrten den sandsteinfarbenen Wohnhäusern den Rücken und überquerten die Brücke. Davon gab es zwei, die über den gigantischen Wassergraben ins Stadtzentrum führten.
Die Menschen waren schnell ausgemacht. Das war auch kein Kunststück. Die lächerliche Straßensperre der ungläubigen Menschen war kaum zu übersehen. Auf den zweiten Blick hin wirkte sie sogar größer als man dachte - wenn man sich jedenfalls auf den direkten Asphalt der Straße befand. Dann war die Barrikade aus Stahl und Beton ein richtiges Monument.
Noch bevor der mächtige Kampfläufer in Sicht gekommen war, hatte ’Sontomee Kontakt zu dem dortigen Zeloten verschafft und sein Kommen angekündigt.
Im selben Moment hatten die Allianz-Krieger - allesamt von der Euphorie gepackt - begonnen Ori'dush zu brüllen. Die zu Tausenden zu ihm hinauf tönenden Rufe hallten noch immer in seinem Kopf wider. Ori'dush, Ori'dush, DOOSH, DOOSH, DOOSH - Unheil, Unheil!
Mit einem schämigen Grinsen konnte sich ’Sontomee die daraufhin auftretende Verwirrung der Menschen vorstellen, die mit der Situation völlig überfordert waren. Im Dreck ihres hohe Monuments hockend, zitternd, unwissend.
Trotzdem hatte die Barrikade aus der Sicht eines dreißig Einheiten hohen Scarab lächerlich gewirkt.
Selbst die beiden mächtigen Scorpionpanzer wirkten winzig. Ihr Sperrfeuer hatte ihnen ebenso wenig genutzt, wie ihre darauf folgende Flucht. Die Ungläubigen hatten zu spät erkannt, dass sie im Nachteil waren. Viel zu spät.
Die Allianz-Truppen hatten ihre lauten Rufe verdoppelt und aus sicherer Entfernung geschossen. Das Hauptgeschütz des Scarabs erledigte den Rest. Ein Schuss aus der Unheil spendenden Blüte reichte aus um klar zu stellen wer die absolute Überlegenheit im Krieg besaß.
Das supererhitzte Plasma drang spielend durch die Barrikade. Die Marines, die Panzer und der ganze Rest lösten sich in Sekundenbruchteilen auf.
Niemand hätte sie je retten können. Niemand.
Seitdem stampfte der wie ein mutierter Scarabeus wirkende Scarab durch die Straßen. Auf der Suche nach Beute. Aber die gab es leider nicht.
Suma ’Sontomee schritt im Rumpf des Kampfläufers auf und ab. Es war sozusagen die Kommandozentrale des Kampfläufers. Ein halbes Dutzend Golokas standen an holografischen Schalttafeln und Bildschirmen um den Scarab zu steuern.
Der Commander hätte sich für verrückt erklären lassen, wenn er den damaligen Vorschlag angenommen hätte und Nurkas die Steuerung des Läufers überlassen hätte. Nurkas besaßen keine Körperschilde. Falls das Unmögliche eintreffen sollte und sie Auge in Auge gegen Menschen kämpfen sollten, hätte kein einziger Nurka eine Überlebenschance.
Neben den Sangheilis gab es noch ein gutes Dutzend Unggoy und Kig-Yar auf dem Kampfläufer.
Teils hielten sie sich im Rumpf auf, teils auf dem Dach. Doch der Großteil der Truppen berücksichtigte die Tatsache, dass das kühle Innere der Ori'dush mehr Sicherheit vor den lauernden Hinterhalten der Menschen barg. Theoretisch könnten überall Scharfschützen lauern.
Bei den vielen Welten, die die Allianz unterjocht und verglast hatte, hatte allein schon der Anblick eines Scarabs gereicht um den Feind in die hoffnungslose Flucht zu schlagen. Selten bauten die Menschen solch hohe Städte. Aber hier konnten sie sogar auf den Scarab hinab sehen.
Scharfschützen hätten so leichtes Spiel mit denjenigen, die so dumm waren sich auf der Außenplattform aufzuhalten.
"Es hat keinen Zweck", murmelte ’Sontomee vor sich hin.
"Exzellenz?" Einer der Golokas trat näher.
’Sontomee blickte ihn kurz an. Er hatte einmal überlegt Gudilis seiner Lanze hinzuzufügen. Er hatte den Gedanken gleich wieder verworfen. Er konnte keine übermotivierten Anfänger gebrauchen. Das ist nun mal so.
"Wir verschwinden hier."
"Aber wir haben doch die strikte Anweisung jeden einzelnen dieser Ungläub..."
"Das weis ich schon längst", fuhr ihn der Commander ins Wort. "Aber seht Ihr hier Feinde? Nein. Hier sind nur wir. Während der Scarab der Verwüstung mitten in siegreichen Kämpfen steckt, irrt der Scarab des Unheils in diesen Straßen umher." ’Sontomee verschränkte die Arme hinter dem Rücken und spannte die Mandibeln an. Ihm war langweilig. "Wir kehren zur Brücke zurück. Zurück an die Front."
"Sofort, Exzellenz." Der Goloka entfernte sich rasch.
Ein leichtes Holpern ging durch das Schiff. Der Raum bekam eine steile Schieflange, wobei die Unggoys umher purzelten. Der Scarab wendete. "Steht auf, verdammtes Pack!", brüllte ’Sontomee wütend. Er stieß einen Unggoy brutal an. Nichtsnutze, dachte der Sangheili. Die sind zu nichts zu gebrauchen.
Der Scarab bewegte sich ganze drei Einheiten lang in die gleiche Richtung. Auf den Monitoren kam die Autobahnbrücke immer näher. Laut den Berechnungen der Huragok entsprach eine Zeiteinheit der Allianz zirka drei Minuten bei den Menschen. Eine seltsame Rechnung.
"Ach noch eins." Der Commander seufzte tief. "Holt endlich diese verfluchten Kig-Yar vom Oberdeck. Auch den Scharfschützen. Sonst reis ich denen persönlich den Kopf ab." ’Sontomee drehte sich um und fing an vor sich hin zu murmeln. Er war wieder Mal wütend. "Diese Kig-Yar gefährden noch die ganze Mission."
Der Goloka verneigte sich. "Natür..."
Ein Schuss hallte durch die Straßen und sorgte dafür, dass jeder an Bord der Allianz-Kampfmaschine aufsah. Und schon kurz darauf hallten drei weitere Schüsse in der staubigen Luft nach. Im Inneren des Scarabs hörten sie sich gedämpft und harmlos an. Doch das waren sie mit Sicherheit nicht.
Die Sangheilis horchten auf. Den Unggoy wurde es mulmig zumute. Kaum war der Schall der vier Schüsse verklungen kamen zwei neue, heftigere. Sie sorgten für starke Explosionen auf dem Oberdeck, dem Dach.
"Die Schnellfeuergeschütze", flüstere ’Sontomee.
Etwas rumpelte. Ein Huf trat auf die Rampe, die ins Innere des Scarabs führte. Er war zu klein für den Huf eines Sangheili-Kriegers, also musste er zu einem Kig-Yar gehören.
Dem war auch so. Ein schmächtiger Kig-Yar torkelte die Treppe hinunter, stieß gegen die Wand und schlurfte in den Innenbereich des gewaltigen Kampfläufers. Unter Schmerzen schluckte er und rang nach Luft. Sein Energieschild war kollabiert und in seinem Oberkörper klaffte eine schwere Schusswunde. Purpurnes Blut quoll daraus.
Der Kig-Yar blickte seinem Anführer schmerzverzerrt ins Gesicht. Während er schwerfällig versuchte, mit seinen Klauen die Blutung der Wunde zu stoppen und gleichzeitig aufrecht zu stehen, gluckste er.
Er öffnete den mit rasiermesserscharfen Zähnen besetzten Schnabel.
"Un ... Un… Ungläu...bige!"
Kurz darauf stürzte der Soldat vornüber auf den glänzenden Boden. Das dickflüssige Blut floss in Strömen über das gravierte Metall. Eine purpurne Pfütze bildete sich um den Kig-Yar. Er zuckte einmal kurz und blieb dann reglos liegen.
Der Kig-Yar war tot.
34 Minuten vorher,
ehemalige Straßensperre K-7
ehemalige Straßensperre K-7
Man hatte versucht die Allianz daran zu hindern über die Brücke zu kommen. Zu beiden Seiten. Es war ein hoffnungslosen Unterfangen. Die Allianz hatte hier die Lufthoheit. Das zeigte ja der Kreuzer und nicht zu vergessen der Sturmträger deutlich genug an. Für sie wäre es ein leichtes gewesen an der Kompanie vorbeizukommen. Doch die hohe Anzahl von Menschen lockte die Außerirdischen trotzdem vom Boden aus an.
Und es waren nicht wenige.
Ghosts, Shadows und Wraiths wurden aufgezogen. Vereinzelt auch ein paar Banshees, die in den Häuserschluchten patrouillierten. Zudem noch so viele Fußtruppen, bis die Straßen voll waren. Die Allianz duldete eine solche Kompanie eben nicht und setzte alles daran sie zu beseitigen.
Und doch, hatte es Anfangs gut für die Menschen ausgesehen. Die Marines hatten zwei Scorpion-Panzer besessen und zudem noch fünf Warthogs. Die sechs Meter hohe Barrikade verlieh ihnen zusätzlichen Schutz und einen gewaltigen taktischen Vorteil.
Nach und nach wurden die Allianzler dezimiert. Ihre verzweifelten Angriffe wurden immer unkoordinierter. Dann erschien eine über fünfzig Meter hohe Silhouette zwischen den Häuserschluchten. Der Scarab war gekommen. Er machte kurzem Prozess aus den Resten der Delta-Kompanie und ihrer schwer befestigten Straßensperre.
Nichts blieb übrig.
Sarge ging zusammen mit seiner Einheit aus ODSTs zwischen den Trümmern umher. Wo auch immer die überlebenden Allianz-Truppen waren ... jetzt sind sie fort - es gab keinen Grund mehr hier zu bleiben.
Der Boden war übersäht von Leichen. Allianz - sowie auch UNSC-Soldaten. An fast jeder Ecke lagen Fahrzeugwracks. Brennende, umgekippte Warthogs; nicht wieder zu erkennende Scorpion-Panzer; zerschrottete Ghosts und Shadows; völlig demolierte Wraith-Panzer.
Hier muss die Hölle los gewesen sein.
Federov stieg über Leichen, dicht gefolgt von Smith, zu einem ausgebrannten Warthog. Die toten Marines trugen schwere Plasmaverbrennungen. Doch ein was war heil geblieben. Eine Bazooka. Federov zog sie mühsam aus dem von unglaublicher Hitze verbogenen Hog hervor und schwang sie sich mit Leichtigkeit über die Schulter. Wenn schon mal eine herumlag, dann kann man sie auch mitnehmen.
Smith versuchte nicht auf die Leichen zu blicken. Der Anblick war einfach zu viel für ihn. Er war doch erst Mitte zwanzig. So viele Tote. Und wofür? Nach oben blicken. Einfach nach oben blicken, dachte er sich. Dann siehst du sie nicht. Er blickte zu den Häusern hinauf. Dieser Anblick war auch nicht der Schönste. Die Außenmauern waren von Einschusslöchern durchsiebt. Fenster waren zerschossen oder gar vom Plasma geschmolzen. Rauchsäulen stiegen auf und dahinter waren -
Smith stürzte zu Boden. Worüber war er gestolpert? Der Marine sah auf und blickte direkt in die kalten erstarrten Augen eines toten Menschen. Es war eine Soldatin, Lieutenant vom Rang her. Daneben lagen noch mehr Marines, und Grunts gab es auch noch massenweise.
Voller Entsetzen starrte Smith in die leblosen Augen der Marine. Hektisch und unregelmäßig atmend sprang Privat Smith auf. Er zitterte, hätte beinahe sein Kampfgewehr fallen gelassen. Smith registrierte gar nicht, dass Federov ihn gerade anstarrte. Er blickte stur geradeaus, ohne sich auf irgendeinen Punkt zu konzentrieren. Er hatte noch immer die glasigen Augen und toten erstarrten Lippen der bezaubernden Frau vor seinem geistigen Auge. Er wurde mit dem Gedanken nicht fertig zu glauben, dass diese schöne Frau und all die anderen noch vor einer dreiviertel Stunde gesund und am Leben waren.
Smith war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er kaum die Worte seines Partners mitbekam. "Smith, beweg endlich deinen Arsch, verdammt. Nimm die Munition aus der Karre mit!" Die Stimme hörte sich weit entfernt an. Munition?, dachte er sich. Aber ich hab doch genug davon dabei.
Eine Silhouette lief an einem halb geschmolzenen Panzer vorbei. Sie hielt auf ein rauchendes Etwas zu. Wilson erkannte, dass es sich um Nolan handelte und folgte ihr. Als er näher kam, bemerkte er, dass das rauchende Etwas ein SkyHawk-Jet war. Schwere Einschläge in seiner Flanke hatten den Kampfflieger zum Absturz gebracht.
Es muss ein sehr mächtiges Plasmageschütz gewesen sein, wenn man sich die Schäden ansah - von den Absturzschäden ganz zu schweigen! Der Marine hoffte dass die Hornet-Jäger, die noch in der Luft waren mehr Glück gegen die Banshees haben würden.
"Weist du Linda ...", begann Wilson, als er näher gekommen war.
"Nolan", korrigierte sie.
"... Nolan. Wir sollten uns vom Acker machen. Wir können hier sowieso nichts mehr tun."
"Es sind so viele. Wir sind zu spät gekommen."
"Da hast du wohl Recht Lin...Nolan." Wilson blickte sich um. "Aber hätte es tatsächlich einen Unterschied gemacht, wenn wir hier gewesen wären?"
"Vielleicht. Was glaubst du, hat das hier alles vernichtet?", fragte Nolan, als sie sich zum gehen wandte.
Wilson hatte keine Ahnung. Sein Blick viel wieder auf den SkyHawk. Selbst seine schweren 50mm-Kanonen und die Scorpion-Raketen (ideal für den Angriff auf Panzer geeignet) hatten ihn nicht retten können. Aber was hatte ihn zum Absturz gebracht? Ein Wraith? Nein, die Einschüsse stimmten nicht überein. Ein Wraith-Panzer feuerte Plasmamörser ab. Langsame Kugeln von einem Meter Durchmesser, die einer ballistischen Bahn folgten. Die hätten nie einen Jet getroffen. Dazu gehörte schon Glück. Und zwar eine ganze Menge.
Aber ein Banshee kann es auch nicht gewesen sein. diese Einmannjäger der Allianz sind nicht schnell genug um mit diesem Kampfflieger Schritt zu halten. Aber was war es dann? Was kann einen SkyHawk und all das andere Kriegszeugs vernichtet haben.
Für einen kurzen Moment dachte Wilson, dass vielleicht ein Longsword-Fighter einen Unterschied in der Schlacht gemacht hätte. Aber das war mehr als ungewiss. Ein SkyHawk-Jet war dem Longsword schon fast ebenwürdig.
Wie als ob man ihn gerufen hatte erschien Privat Veers hinter den beiden. "Nur eins ist fähig eine solch starke Verwüstung anzurichten", sagte er mit ehrfürchtiger Stimme. "Der fünfzehn Meter hohe AT-AT-Kampfläufer."
"Oh nein", seufzten Wilson und Nolan gleichzeitig. "Jetzt geht das schon wieder los!"
"Hör mal Veers", begann Nolan gereizt. "Kannst du mich nicht einmal mit deinem Scheiß verschonen? Einmal! Ist das zu viel verlangt?"
"Hey, alles was ich sage ist also Scheiß, ja?", beschwerte sich Veers. "Aber ich vergaß, du bist mal wieder die Klügste hier ..." Er holte mit den Händen weit aus. "Herrgott, deine verfluchten möchtegernklugen Reden gehen mir auf den Geist. Weist du das? Du nervst!"
Nolan verlor die Fassung, sprang nach vorn und packte Veers grob am Kragen. "Sag das noch einmal und ..."
"Ach ja, und dann was?"
Wilson versuchte vergeblich zwischen die beiden Streithähne zu gehen. Aber sie ignorierten ihn einfach. Das einzigste, was Wilson erreichte war, dass sich die Dinge nur noch drastisch verschärften.
"Kann man euch nicht mal für eine Minute aus den Augen lassen?", bellte eine Gestalt, die auf sie zukam.
Wilson fing an zu grinsen. "Hi, Sarge. Sie wissen doch wie das ist. Wir werden nie erwachsen! Wir bleiben immer Kinder und haben unseren Spaß."
Der Sergeant zog eine Augenbraue hoch und musterte Nolan und Veers. Nolan hatte ihn zu Boden gezwungen. Mitten in die Überreste eines Grunts. Beide standen langsam auf. Nolan warf Veers einen giftigen Blick zu und wollte dann etwas zu ihrer Verteidigung sagen, doch der Sarge schnitt ihr das Wort ab.
"Was war es diesmal, Veers? Ein AT-ST?"
"Viel schlimmer", murmelte Wilson. "Der ganz Große"
"AT-TE?"
"Noch größer."
"Ach der. Wie konnte ich das nur vergessen", witzelte der Sergeant, doch sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich sogleich wieder, in Anbetracht der düsteren Lage.
"Ihr habt doch keine Ahnung", beschwerte sich Veers. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah weg.
"Kinder", flüsterte der Sarge.
Das Funkgerät im Helm des Sergeants schaltete sich ein. Die Stimme von Privat Harris war zu hören. Harris hatte sich auf einem der nahe gelegenen Gebäude positioniert. In diesem Stadtteil waren die Häuser nicht allzu groß, als dort wo sie gelandet waren. Man hatte einen besseren Überblick über das Gelände. Relativ gesehen.
"Sarge, es gibt Neuigkeiten. Willst du die gute oder die schlechte zuerst hören?"
"Die gute zuerst", entschied sich Sarge.
"Sinclair, Davis und O’Donnell haben ein leeres Lazarett gefunden", schilderte der Scharfschütze. "Es ist zwar verlassen, aber dafür stehen dort Versorgungskisten rum. In einer kleinen Lagerhalle in den Gassen sind auch welche. Dann gibt’s da noch ein paar Titanium-A-Panzerplatten als prima Deckungsmöglichkeit und ein funktionstüchtiger Warthog. Stell dir vor: Es ist nur eine Ecke von meiner Position entfernt."
"Und was ist mit der schlechten Nachricht?"
"Ich weis jetzt was das Massaker angerichtet hat." Die Stimme klang durch das Funkgerät arg beunruhigt. "Es kommt zurück."
"Was?", rief der Sarge. "Wovon redest du?"
Eine kurze Pause entstand. Doch es wirkte wie stundenlange Funkstille, ein bedrückendes Gefühl.
"Das solltest du dir besser selbst ansehen, Sarge", riet ihm Harris besorgt.
Während der Sergeant gerade ein wichtiges Funkgespräch führte, trat Wilson näher an Nolan heran. So nahe, dass Veers nichts hören konnte.
"Keine schlechte Nummer, Linda", begann er fröhlich. "Machst du das eigentlich mit allen, die du so magst wie ihn?"
Sie wandte sich ihm zu. "Stehst du etwa drauf?", entgegnete Nolan kühl.
"Was? Nein. Was ich meinte war nur ..."
"Glaub mir Wilson", sagte sie und legte ihren Arm um ihn und blickte, ohne ihn direkt anzusehen, verträumt in der Gegend um-her, "mit dir würde ich noch viel verrücktere Dinge anstellen, als du dir überhaupt vorstellen kannst. Natürlich nur wenn ich Lust dazu habe."
Wilson blickte unschlüssig zu Nolan. Es machte ihn nervös, dass sie direkt neben ihn stand und ihren Arm um ihn legte. Er blickte sie an, fasste sich dann aber wieder und sagte: "Wenn, dann nur von dir, Liebes." Er wusste sowieso, dass sie nur Spaß machte.
Nolan lächelte. Sie drehte sich um und legte ihren Kopf neben seinen. Bis ihre Lippen neben seinem Ohr waren. "Sag einfach bescheid, Schatz."
Sie lächelte Wilson noch ein paar Sekunden liebevoll ins Gesicht, drehte sich dann auch schon um und ließ den entgeisterten Marine allein zurück. Wilson hatte keine Ahnung, was er jetzt denken sollte.
"Das solltest du dir besser selbst ansehen, Sarge", hörte Wil-son. Es war Harris, der via Funk mit Mr. B sprach.
Der Sergeant wandte sich um. "Los, Marines, ich kann euch jetzt nicht alles erklären. Zu wenig Zeit! Wir müssen sofort zu Treffpunkt Zulu - Harris’ Position", befahl er hastig und marschierte auch schon im schnellen Tempo los. Die Marines sahen sich an. Wilson hob die Schultern und folgte dem Sarge. Der Rest kam dann schließlich auch nach.
Während Sarge über das kleine Schlachtfeld joggte, öffnete er einen Funkkanal. Es rauschte kurz, dann sprach er ins interne Comlink seines Helms. "Federov, Smith, kommt sofort zu Rück-zugspunkt Zulu. Beeilt euch, sonst verbringt ihr den Rest der Mission mit Stöcken und Steinen als Waffen. Ende."
Normalerweise leuchteten blaue Bestätigungslichter im Helmvisier des ODST-Sergeants auf. Nicht aber bei der üblichen Marinearmierung, die er trug. So hörte er nur zwei Pieptöne, die die Zustimmung seiner beiden Helljumpers signalisierte.
Wilson lief neben Veers her. Er hatte noch immer diesen geis-tesabwesenden Blick drauf. "Sie hat mich Schatz genannt", sin-nierte er vor sich hin.
Veers rollte mit den Augen. "Na und."
"Überleg dir mal was das heißt."
"Liebe und Hass", erklärte Veers ruhig. "Beides führt zu Komplikationen und schließlich zur Ausführung der Order 66."
"Was haben Klone damit zu tun?", fragte Wilson.
Enttäuscht schüttelte Veers den Kopf und schloss die Augen. Öffnete sie aber gleich wieder blitzartig, als er über den Leichnam eines Jackals stolperte. "Da sieht man mal wieder, wie du mir zuhörst", seufzte er lautstark, nachdem er wieder sein Gleichgewicht gefunden hatte.
"Ja, aber sie hat mich trotzdem ,Schatz’ genannt."
"Bilde dir bloß nichts darauf ein." Ein grimmiges Grinsen huschte über Veers’ Gesichtszüge. "Und du glaubst, dass Nolan das wirklich ernst gemeint hat?"
Wilson stoppte und blieb nachdenklich stehen. Daran hatte er nicht gedacht. Er lief weiter und holte zu seinen Leuten wieder auf. Gute Frage. Hatte Linda das jetzt ernst gemeint oder wollte sie mich nur verarschen? Wie damals auf Paris IV? Während sie von der Hauptstraße in schmale Gassen einbogen, gingen Wilson diese Fragen nicht mehr aus dem Kopf.
Schließlich erreichten die Helljumpers fast zeitgleich mit Smith und Federov Treffpunkt Zulu. Jetzt kann der Spaß anfangen.
Das Fadenkreuz des S2-AM-Scharfschützengewehrs pulsierte rot, als es auf die "schlechte Nachricht" zeigte. Der Sergeant blickte durch das Visier der Präzisionswaffe. Er und Privat Harris lagen auf dem flachen Dach eines Gebäudes.
Der Scarab der Allianz stampfte in ihre Richtung. Seine unverkennbare Silhouette war deutlich zu sehen. Das waren wirklich schlechte Nachrichten.
"Wie lange wird er noch brauchen, bis er hier ist?", fragte der Sarge ungeduldig.
"Bei der Geschwindigkeit ... etwa fünfzehn vielleicht auch zwanzig Minuten." Harris dachte kurz nach als er die käferförmigen Umrisse betrachtete. "Bei den Verhältnissen der Gebäude und Straßen helfen ihm auch seine fünfzig Meter hohen Beine nichts."
"Und du bist sicher, dass er hierher kommt?", hackte Sarge nach.
"Ja, Sir", antwortete Harris. "Hier hat er alle menschlichen Streitkräfte ausgelöscht, also wird er über die Brücke wollen, um sich neue Opfer zu suchen." Harris stutzte. "Allerdings scheint es dieser Scarab überhaupt nicht eilig zu haben. Er wäre viel schneller, wenn er die Hauptstraße benutzen würde. Tut er aber nicht. Die Häuser behindern ihn doch nur."
Der Sergeant konnte nun die scharfen Umrisse des Scarabs durch das Zielfernrohr erkennen. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde er immer Furcht einflößender. "Ist auch besser so. Wenn er hier vorbeikommt, dann sollten wir vorbereitet sein.
Der Sergeant ließ Harris mit seinem S2-AM auf dem Dach allein und verschwand.
Während er eilig das Treppenhaus herabstürmte, versuchte er sich einen seiner genialen Pläne zu überlegen.
Ein Allianz-Scarab war ein harter Brocken. Das war klar. Ihn zu knacken würde schwierig sein. sie mussten den Scarab verwirren und ihn dann erledigen. Ihn zu Fall bringen. Es war schier unmöglich - aber machbar.
Wilson, Nolan und Veers waren gerade im Treppenhaus auf den Weg nach oben, als Sarge in entgegen gesetzter Richtung, zwei Stufen auf einmal nehmend an ihnen vorbeihastete.
"Hey Sarge, wohin des Weges?"
"Mach dich bereit Wilson", rief Sarge ohne anzuhalten. "Wir müssen jetzt Kammerjäger spielen - es gibt eine riesen Kakerlake, die geknackt werden muss!"
Der Sarge stürmte zur Tür hinaus. Man hörte noch das Quietschen der Metalltür in den Angeln, als sie zu glitt, dann war es wieder totenstill.
Die drei Marines blickten ratlos drein. Wilson war der Erste, der die Stille unterbrach. "Was zum Henker war denn das für’n Vortrag?" Nolan war genauso ratlos wie er selbst.
Veers hingegen stand wie geschockt da.
"Ich hatte gehofft ihn nie wieder sehen zu müssen", flüsterte er verschwörerisch und zugleich verloren.
"Was meinst du?", fragte Wilson. "So schlimm sieht Mr. B nun auch wieder nicht aus."
"Nein, du Trottel", seufzte Maximilian. "Warte." Der Privat kramte in seiner Tasche, die er sich an den Gürtel geschnallt hatte. Nach ein paar Sekunden holte er einen kleinen Minicomputer hervor. "Erinnert ihr euch noch an Paris IV?", fuhr der Marine fort. Nolan und Wilson nickten.
Nolan blickte auf. "Meinst du wo wir getrennt wurden?"
Veers nickte. "Ja. Während ihr schon wieder auf dem Weg zur In Amber Clad wart, stieg ich und Mr. B ausgerechnet in den falschen Pelican." Er holte tief Luft. "Wir wurden abgeschossen. Der Vogel schmierte ab und wir fanden uns direkt zwischen den Fronten wieder. Ihr kennt ja die verrückte Geschichte wie wir da wieder raus kamen, aber wir waren uns beide einig den Scarab nicht zu erwähnen.
"Scarab? Was ist das?", fragte Nolan perplex.
"Das hier", sagte Veers und aktivierte den Computer. Darauf waren Bilder seiner Helmkamera gespeichert. Es waren meist spektakuläre Aufnahmen, die er in all seinen Einsätzen erlebt hatte. Der junge Mann scrollte durch die Dateien und blieb bei einem Bild stehen.
Er drückte eine Taste und vergrößerte das Bild.
Wilson und Nolan erstarrten, als sie das Bild sahen: Im Hintergrund stieg Rauch auf, ein Dutzend Marines rannte auf den Feind zu. Jäger und Elitekämpfer stellten sich ihnen in den Weg. Ein Panzer brannte. Und über dem ganzen Geschehen stand ein vierbeiniger Kampfläufer - so hoch wie ein Haus. Das Bild des Scarabs war durch und durch Furcht einflößend.
Nolan verstand nicht. Sie wollte nicht verstehen. Dieses Ding war hier? "Und was machen wir jetzt?", fragt sie.
Federov blickte auf seine Missionsuhr, wie sie jeder Marine des UNSC besaß. Eine Missionsuhr war eine Art Stoppuhr, die zu Beginn des Einsatzes gestartet wurde. So hatte man eine genaue Angabe, wie lang die Mission schon dauerte.
Es hatte auch irgendwas mit dem Aufzeichnungsgerät am Helm der Marines zu tun. Aber Federov hatte den Zusammen-hang vergessen.
Die Uhr von Privat Federov zeigte D+01:09:28 Stunden an. er rechnete es kurz im Kopf durch. Um zwei Uhr Nachmittags (1400 Stunden) war ihre Mission gestartet. Also musste es bald 1510 Stunden sein.
Der Scarab war schon fast da, wo er sein sollte.
Er hatte den Raketenwerfer neben sich liegen. Einsatzbereit. Neben ihm lag Smith, er blickte durch das Fernglas auf das herannahende Ungetüm.
Sie hatten sich auf einem flachen Häuserdach verschanzt und warteten die Zeit ab.
Unweit von den beiden Personen lag Harris mit seinem Scharfschützengewehr. Der ODST hatte schon geeignete Ziele auf dem Dach des Kampfläufers ausgemacht. Doch noch zögerte er. Der Scarab war noch nicht nahe genug.
Das Trio befand sich auf einem leicht schrägen Dach. Sie waren hoch genug um von hier aus auf den Scarab geradeso hinab zu sehen, wenn er ankam.
Sie für ihren Teil waren soweit.
"Was ist wenn er uns sieht? Was dann? Womit sehen diese Viecher überhaupt. Infrarot, Wärmesicht, Binokular, Visuell oder sonst was? Was wenn er schießt, Truppen rausschmeißt, uns einfach wie eine Fliege zertritt und so? Verdammt, wir sind verloren! Warum hab ich vorhin auch ,Ja, Sir’ gesagt? Oh man, bin ich blöd!"
"Es ist halb so schlimm, Veers", beruhigte der Sprengstoffspezialist Davis. Die beiden Höllenspringer befanden sich auf der Hauptstraße, die zur Brücke führte. Ein von 7,62mm-Kugeln durchlöcherter Shadow diente als ideales Versteck.
Ein Shadow war ein Versorgungsfahrzeug der Allianz. Er war zwar langsam, dafür aber gut bewaffnet. Der Truppentransporter besaß einen fest montierten Shade über dem Fahrercockpit am Bug. In der Mittelsektion konnte der purpurne Shadow einen Ghost oder Allianz-Bodentruppen (die Anzahl richtete sich nach der Spezies, die mitfährt) befördern.
Veers blickte nervös über die seltsam geformten Sitzplätze im Mittelteil und erblickte erneut den Scarab. Mühelos lies der Kampfläufer eine Häuserwand zu Einsturz bringen, als er auf die offene Straße trat.
Die vier geschwungenen Beine bewegten den Scarab unaufhaltsam in ihre Richtung. Wobei einige Laternenmasten wie Grashalme umknickten, als sie sich dem Monstrum entgegen stellten.
Privat Veers zitterte leicht. Die Anspannung war hoch. Davis hingegen schien so etwas schon tausendmal gemacht haben. Er war völlig ruhig und hielt gelassen die Haftmine in den Händen. Veers musste seine eigene regelrecht fest packen, damit er sie nicht fallen ließ.
Als die ODSTs das Lazarett und die Versorgungskisten gefunden hatten, hatten sie sie sofort durchsucht. Logisch. Aber sie hatten nichts Weltbewegendes gefunden. Munition und - zur Freude von Nolan - erstklassige medizinische Ausrüstung.
Eine der mittelgroßen Kisten hatte es vor allem Davis angetan. Sie war voller "explosiven Zeugs", wie er sagte. C7 Schaumsprengstoff, C12 Plastiksprengstoff und (als kleinen Bonus) vier ANTYLON-Minen. Die Antylon-Minen waren kleiner als die herkömmliche Version. Sie waren tellergroß und waren auf einen Metallaufsatz befestigt worden, mit dem man sie an jeder beliebigen Unterlage anheften konnte.
Mindestens zwei davon würden sie brauchen. Zur Not ging auch eine.
Damit kann man ein richtig schönes Feuerwerk machen, hatte Davis gesagt. Laut seinen verrückten Geschichten waren diese Art von Minen sogar dazu imstande einen Wraith in Stücke zu reißen.
Veers zuckte mit den Schultern. Jede Geschichte von Davis war anders als die vorige. Es war gut möglich, dass er auch von den Moray-Minen gesprochen hatte. Der Privat konnte sich grob daran erinnern, dass er einmal ein Heft von Davis besessen hatte, wo alle wichtigen Minen und Sprengstoffe aufgeführt waren, doch er musste es irgendwo liegen gelassen haben.
Der Scarab stampfte immer weiter auf die Marines zu. Ihr Timing musste perfekt sein, wenn sie ihr (noch) ahnungsloses Opfer angreifen wollten.
Der Kampfläufer war keine hundert Meter mehr entfernt. Erst jetzt sah man seinen Respekt einflößenden Kopf - das Hauptgeschütz.
Die Geschwindigkeit war hoch. Viel zu schnell um die Haftminen an eines der Beine zu heften, wenn der Scarab einfach an ihnen vorbeilief.
Bald würde ein Ablenkungsmanöver starten, welches den Kampfläufer hoffentlich zum Stehen brachte. Wenn nicht sahen die Karten schlecht aus.
Das sollte jetzt aber langsam mal passieren, dachte sich Davis ungeduldig. Sonst ist es zu spät. Jetzt oder nie!
Sie waren einfach nur unvorsichtig. Normalerweise waren es die Grunts, die sich so verhielten. Aber in diesem Fall waren es Jackals. Geierähnliche Außerirdische, einen von scharfen Zähnen besetztes Maul und einen Energieschild am Arm. Es waren drei Jackals, um genau zu sein.
Sie hielten sich auf dem Oberdeck des Scarabs auf, der nun endlich in Position war. Das Dach war in zwei Teile unterteilt. Eine weitläufige Plattform und ein darüber liegender schmaler Steg. Er begann am Hack, direkt über dem hinteren Schnellfeuergeschützes und endete am vorderen Sekundärgeschütz.
Die Jackals waren alle unten.
Harris entspannte den Finger am Abzug. Er suchte sich ein Ziel aus: einen Jackal der keinen Plasmaschild hatte und ein Strahlengewehr trug, er konnte gefährlich werden. Langsam zielte der Schütze und schoss ihm in den Kopf.
Knochen und Blut spritzte in der Ferne umher und ein kopfloser Außerirdischer stürzte vor seinen fassungslosen Kameraden zu Boden.
Der zweite Jackal hielt schützend seinen Energieschild hoch. Aber in die falsche Richtung. Harris betätigte den Abzug und der Jackal teilte das Schicksal seines Artgenossen. Ein paar vereinzelte Plasmaschüsse aus der Pistole des Jackals surrten durch die Luft.
Zwei trafen den Energieschild von Jackal Nummer drei. Der Schild hielt den Plasmaschüssen mühelos stand.
Der letzte Jackal stürmte fluchtartig in Richtung Eingang, der in den sicheren Rumpf des Kampfläufers führte. Privat Harris schoss gnadenlos das 14,5mm-Projektil ab. Es durchschlug den Oberkörper des Feindes. Die Kugel trat aus der Brust aus und schlug in den rechten Arm ein.
Ein zweiter Schuss verfehlte ihn. Der Feind war nach vorn gestolpert und torkelte schwerfällig auf den Eingang zu. Harris schmiss das leere Magazin aus seinem Gewehr heraus, legte hastig ein neues hinein, entsicherte und stellte das Zielfernrohr wieder auf zehnfachen Zoom. Und das in drei Sekunden!
Das einzigste was er sah, war wie der Jackal noch im Eingang verschwand, die Rampe hinunter.
Er war außer Reichweite.
Als Federov die Schüsse von Harris bemerkte, legte er seinen Raketenwerfer an und aktivierte die automatische Zielanvisierung. Prompt schickte er zwei 102mm-Raketen auf die Reise.
Sie fanden ihr Ziel: Die Sekundärgeschütze des Scarabs.
Als die Raketen einschlugen, zerrissen sie förmlich die gefährlichen Kanonen.
"Ich habe drei Jackals erwischt", rief ihm Harris zu. "Aber einer scheint überlebt zu haben."
Smith beobachtete die Sache durch das Fernglas. "Was machst du, wenn ein Jackal auf dich zutorkelt?", fragte er Federov plötzlich.
"Dich vor mich schieben", entgegnete er.
"Quatsch", meinte Smith besserwisserisch. "Nachladen, besser zielen und feuern!"
"Schön für dich." Federov öffnete den leeren Raketenwerfer und holte das verbrauchte Magazin heraus. "Okay, gib mir das Nächste", verlangte er von Smith.
"Hä?"
"Na die Raketenwerferladung für die Bazooka."
"Wie jetzt?"
Federov starrte Smith entsetzt an. Dieser wusste überhaupt nicht was los war. "Ich glaub’s nicht", stöhnte Federov. "Ich hab dir doch gesagt, dass du die Bazookamuni aus dem Hog mitnehmen sollst." Sein Gesicht wurde feuerrot. "Sag mal wie blöd bist du eigentlich? Du Idiot. Womit sollen wir denn jetzt kämpfen? Kannst du mir das sagen? Wegen dir geht hier noch alles schief. Man, wenn Dummheit klein machen würde, dann könntest du unterm Teppich Fahrrad fahren!"
Federov warf den leeren Raketenwerfer beiseite und hob sein geladenes Schrotgewehr auf. "Komm mit", befahl er. "Wir gehen zu den anderen. Es gibt noch Arbeit." Er drehte sich um und lief schnurstracks los.
"Hey ...", sagte Smith irritiert und zaghaft.
"Was?"
"Darf der noch so einfach rumlaufen?" Smith zeigte auf den Scarab-Kampfläufer.
Federov blickte zurück und erspähte den Scarab. Er war stehen geblieben und hatte sich ihnen zugewandt. "Verflucht, wieso steht der denn noch?"
Das Hauptgeschütz des Kampfläufers öffnete sich wie eine Blüte. Es lud sich auf und fing an im Inneren zu leuchten. Der Scarab würde sie alle töten!
Die Geschosse schlugen in den Fünfzig-Meter-Koloss ein. Es gab Explosionen und die Trümmer zweier ehemaliger Plasma-Schnellfeuergeschütze prasselten herunter.
Davis und Veers gingen unter dem Shadow in Deckung, als die glühenden Überreste der Geschütze auf, den von hunderten Plasmaeinschlägen merkwürdig verformten Asphalt einschlugen. Sie gesellten sich zu dem Rest des Schlachtfeldes.
Der Allianz-Scarab war direkt über ihnen.
Er wendete um neunzig Grad.
Eines der Insektenbeine schlug zehn Meter vor den Helljumpers auf den Asphaltboden auf. Tiefe Abdrücke bildeten sich. Der Scarab war stehen geblieben. Es war die ideale Gelegenheit für den Zugriff...
"Jetzt oder nie", schrie Davis und rannte los.
Veers hielt seine Mine fest in den Händen und legte zum Sprint an. Sie rannten auf das stillstehende Bein zu. Davis war als erster da und legte die Antylon-Haftmine an und aktivierte sie. Sofort zog sie sich am Bein des Kampfläufers fest.
Veers tat es ihm gleich. Sie standen unter enormen Zeitdruck. Wenn sich der Scarab auch nur bewegen würde, könnte dieser die beiden Marines mit einer leichten Bewegung in den Tot schleudern.
Ein Statuslicht leuchtete an den Minen auf.
"Sie sind scharf!", warnte Davis. "Weg hier."
Sie rannten wie wild los. Bloß den Abstand zu den Minen vergrößern. Ihr ziel war der Treffpunkt Zulu. Dort würde Davis den Fernzünder für die präparierten Minen aktivieren, den er an seiner Panzerung befestigt hatte.
Dummerweise besaßen die Minen keinen Zeitzünder - das wäre einfacher gewesen. Zumindest hatte Davis keinen Kompatiblen dabei.
Der Scarab hinter ihnen setzte sich erneut in Bewegung. Veers hoffte, dass die beiden nicht durch etwaige Wärmesuchgeräte entdeckt worden waren. Das darf nicht wahr sein. Das konnte nicht wahr sein.
Denn der Scarab-Kampfläufer kam auf die ODST-Soldaten zu.
Eines der vier maschinellen Beine schnellte vor. Geradeso sprangen die beiden Marines zur Seite. Der Scarab beachtete die Marines gar nicht. Stattdessen hielt er kurz vor Treffpunkt Zulu an.
Er war nicht hinter den beiden Marines her.
Es war der Treffpunkt.
Veers und Davis rappelten sich auf und stürmten zum Rückzugspunkt. Kurz davor blieb Davis entsetzt stehen. Mit beiden Händen tastete er seinen Oberkörper ab.
Seine Augen weiteten sich. "Oh nein."
"Was ist denn los?" Veers war völlig außer Atem. Seine Frage wurde nie direkt beantwortet.
Davis rannte zurück auf die Straße. "Verschwinde Veers. Geh zu den anderen", rief er. "Sie sollen sich auf einen harten Kampf gefasst machen, wenn das jetzt nicht hinhaut."
Ohne auch nur ein Wort oder die wertvolle Zeit zu verlieren, stürmte Veers die Gassen. Er rannte eine abfallende Straße in Richtung Lazarett runter und verschwand.
Panisch suchte Davis auf der Straße nach dem Fernzünder. Er hatte ihn verloren. Der Haltegurt war gerissen. Wie konnte ich auch nur so dumm sein. In diesem Durcheinander kann er überall sein ...
Er rannte den Weg zurück, den er gekommen war. Und da ... da war er tatsächlich. Der faustgroße Fernzünder lag mutterseelenallein auf der verwüsteten Straße.
Davis schnappte ihn sich und machte kehrt. Seine Kraft ließ ihn langsam im Stich. Die Anspannung war riesig. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust, sodass er seine Herzschläge hören und fühlen konnte.
Er war noch immer unter dem Ungetüm, als ohne Vorwarnung eine Ladung "Plasmatropfen" vor ihm herunterregnete. Es traf die Straße und schmolz den weichen Asphalt. Davis stoppte keuchend. Sein Blick richtete sich gen Himmel.
Das Hauptgeschütz - Davis war sich sicher, dass es der Kopf war (er hatte noch nie vorher einen Scarab aus nächster Nähe gesehen, so musste sich die Delta-Kompanie gefühlt haben) - das Geschütz hatte sich geöffnet und lud sein Plasma auf. In den nächsten paar Sekunden würde das Monster auf seine Einheit feuern. Auf seine Freunde. Es sah aus als ob sich das Plasma im Geschütz ansammeln würde und der überschüssige Teil nach unten regnete.
Es gab nur diese eine Chance.
Davis wusste, dass er das Richtige tat. Er betätigte den Auslöser und rannte wie von der Tarantel gestochen los.
Hinter sich vernahm er eine heftige Explosion. Die beiden Haftminen hatten das hintere linke Bein zerfetzt. So hörte es sich anscheinend an. Die Überreste segelten in alle Richtungen. Tatsächlich war das Bein nur stark beschädigt worden. Es konnte die Last des Kampfläufers jedoch nicht mehr tragen. Es knickte nach hinten weg. Der Scarab geriet stark ins Wanken.
Nicht darauf achtend, war Davis’ Ziel immer noch der Schutz der dunklen Gassen vor ihm.
Der Scarab taumelte und das mächtige Hauptgeschütz feuerte zur gleichen Zeit. Der Schuss ging daneben. Und wie. Ein gigantischer Plasmastrahl endete ziellos im Himmel. Die Luft erhitzte sich knisternd, als das ionisierte Gas durch den wolkenverhangenen Himmel schoss. Spielend durchschnitt das Plasma die Wolkenpartien, ehe es sich auflöste.
Verzweifelt versuchte der Kampfläufer das Gleichgewicht mit drei Beinen wieder zu finden. Er drehte sich ungeschickt nach links.
Ein Bein rutschte ab und stieß in eines der Häuser ein. Der Scarab kippte. Ein riesiger Schatten näherte sich Davis, der immer noch schwer atmend rannte. Er brauchte sich nicht erst umdrehen um herauszufinden, woher der verhängnisvolle Schatten rührte.
Er hatte die Gassen erreicht. Doch noch konnte er sich nicht sicher fühlen.
Trümmer und tonnenweise Staub wurden aufgewirbelt, als der Koloss vollends das Gleichgewicht verlor und stürzte. Er krachte auf den Boden und blieb reglos liegen.
Der Staub und die enorme Druckwelle schleuderten David gegen die nächste Betonwand. Unsanft schlug er dagegen. Der Putz blätterte von der alten Wand und Davis fiel zu Boden. Das Atmen fiel ihm schwer. Die Luft war voller Staub und er Dank dieser Tatsache mausgrau.
Die Staubwand legte sich schneller als gedacht. Privat Davis konnte schon den Himmel sehen. Es war noch leicht benommen. Alles drehte sich.
Sofort sprang er auf, verlor sogleich wieder das Gleichgewicht und fiel wieder hin.
Er nahm sich mehr Zeit zum Aufstehen und kam sicher auf die Beine. Hinter ihm war ein maschinelles Stöhnen zu hören. Es sah sich nach der Ursache um und musste fast schon lachen, doch der Schmerz in der Brust ließ das nicht zu.
Der Allianz-Scarab lag auf einen riesigen Berg von Schutt und Asche. Besiegt von zwei kleinen Antylon-Minen. Es war beinahe schon die blanke Ironie, die hindurch stach.
Sie hatten den Scarab der Allianz zu Fall gebracht!
Überall sprühten Funken umher. Die indirekte Beleuchtung hatte den Geist aufgegeben. Es war halbdunkel in der kommandozentrale und ließ sie wie den Vorraum zur Hölle wirken. Die linke Wand war buchstäblich zum Boden geworden.
Seine Sicht war leicht verschwommen. Etwas Licht drang durch die starken Risse im Rumpf ein. Der Boden (also die linke Wand) war feucht. Feucht vom Blut. ’Sontomee roch und schmeckte es.
Aber es war nicht sein Blut. Nein, so ein kleiner Aufprall hatte noch nicht einmal die Hälfte seines Schildes dezimiert.
Was der Sangheili da schmeckte war das Blut dieser Gassauger. Dieser Unggoy. Ihr Blut war eine hellblaue, fast zäh-klebrige Flüssigkeit.
Widerwärtig, dachte ’Sontomee und rappelte sich auf. "Ich will sofort einen Bericht haben. Wie konnte das passieren?", bellte er.
Ein Veteran trat im fahlen Licht des Scarabs vor. "Mittlerweile sind sämtliche Kontrollen außer Betrieb", erklärte der Goloka. "Der Scarab hat das Gleichgewicht nach hinten verloren. Ich vermute mal, dass es den Menschen gelungen ist eines der Beine zu sabotieren."
"Wie das?" ’Sontomees Stimme war voller Bosheit. Jeder hier im Raum konnte es regelrecht spüren.
"Nun, ich weis es nicht, Exzellenz."
"Inkompetenz", lechzte ’Sontomee. "Ich hätte es wissen müssen."
Ohne etwas Weiteres zu sagen gab der Commander den Befehl zu Abmarsch. Sie würden das Wrack des Scarabs des Unheils verlassen müssen. Die Menschen, die für diesen Akt der Sabotage verantwortlich waren, würden ihre Tat noch bitter bereuen.
Etwas beunruhigte den Veteranen. Ihr Anführer hatte wie immer versucht ruhig zu wirken. Doch in Wahrheit staute er seine Wut nur auf, so wie ein Staudamm das Wasser. Je mehr er aufstaute, desto größer wird die Last. Und irgendwann bricht der Damm. ’Sontomee würde sich schon ein Ventil suchen, wo er seinen Druck ablassen kann. Der Goloka hoffte, dass er nicht das Ventil sein würde - oder gar der Jenige, der vor dem brechenden Staudamm stehen würde.
Denn die Wutausbrüche des Anführers gingen selten glimpflich aus.
Der aufgewirbelte Staub draußen hatte sich gelegt. Der einst so stolze Kampfläufer war reif für den Schrottplatz. Der stolze Ori'dush war reif für Gallon - einer Welt deren einziger Zweck darin bestand, den Schrott nur noch in sich aufzusaugen und als Müllhalde zu dienen.
’Sontomee und der Goloka von vorhin - er hieß ’Perumee - standen an der oben liegenden Seite des Scarabs.
Wenn der Scarab noch aufrecht stehen würde, dann würden die Sangheilis auf dem Deck liegen und nach unten schauen.
Der Bauch der Maschine zeigte in die Gassen, das Oberdeck in Richtung Hauptstraße, die nach einer Kurve zu einer Brücke führte - ihrem früheren Ziel.
"Was gibt dir die Sicherheit, dass die Menschen dort sind?", fragte der Commander nach, während er in die schmalen Gassen blickte. Rasch zog er aber den Kopf wieder hinter die schützende Bordwand. Auf keinem Fall würde er es den möglichen Scharfschützen so leicht machen.
"Sie haben aus dieser Richtung auf uns geschossen, Exzellenz", sagte ’Perumee.
"Nun gut." ’Sontomee drehte sich um. Soeben kletterten die restlichen Sangheili auf das Deck. Ihnen folgten zwei Kig-Yar und vier Unggoy. Die kleineren Rassen taten sich schwer mit der unnatürlichen Steigung. Die Kig-Yar waren da schon etwas eleganter als die tollpatschigen Unggoys. Weiter verließ niemand das Innere des Scarabs.
Der Rest hatte also nicht überlebt. Es waren einmal sechs Kig-Yar beziehungsweise Unggoy gewesen. Aber das war auch egal. Ob diese minder bewerteten Wesen nun beim Aufprall oder beim Kugelhagel starben, machte keinen Unterschied.
Unggoys waren ebenso wie Kig-Yar ersetzbar.
Ein weiterer Befehl Suma ’Sontomees und die Lanze* des Commanders kletterte über den gefallenen Scarab.
Der Kampfläufer war in zwei Häuserecken gekracht und hatte so eine Verbindungsstraße blockiert. Es schien die einzige Einmündung zu sein.
Nun konnte ’Sontomee mit den Menschen abrechnen.
Oya, Mando'ade. Mhi cuyir kandosii par haar akaanir. K'oyacyi!