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Es ist der Morgen des 11. März 2009. Es sollte die Explosion einer Zeitbombe sein, die überall in unserer Gesellschaft ruht. Der Moment, in dem bei einem jungen Menschen alle Sicherungen durchbrennen und er plötzlich in der Lage ist Dinge zu tun, die niemand für möglich gehalten hat. Bewaffnet mit einer Pistole und einer dreistelligen Anzahl an Patronen, stürmt er seine alte Schule und tötet gezielt Menschen. Als er 10 Personen, 7 Schülern und 3 Lehrern, ihr Leben geraubt habt, verlässt er die Schule, um eine grausame Flucht zu beginnen in deren Verlauf noch insgesamt 5 weiter Menschen ihr Leben lassen müssen. Erst dann gelingt es der Polizei den Amokläufer zu stellen. In dieser ausweglosen Situation erschießt er sich schließlich selbst. Das Ende.
Keine 6h später betreten die ersten Politiker die Bühne. Die Staatsoberhäupter Horst Köhler und Angela Merkel haben da schon lange ihr tiefes Mitgefühl mit den Opfern und ihren Angehörigen bekundet. Aber die Politiker, die jetzt aus ihrem Loch gekrochen kommen, sind nur darauf aus, ganz schnell politisches Kapital aus dieser Tragödie zu schlagen. So könnte man z.B einen führenden Politiker des Freistaates Bayern nennen, welcher immer nach solchen Geschehnissen auftaucht und sich daran profilieren will. Es gibt aber leider auch noch genug andere, die genauso handeln. Bleiben wir aber jetzt mal bei diesem Herrn. Die Untersuchungen im Leben des Amokläufers haben noch nicht richtig begonnen, da nimmt der oben genannte bayrische Volksvertreter wieder das Wort in den Mund, dass ihm in solchen Tagen garantiert Gehör verschaffen wird. Egal ob bei der Hausfrau in der Küche, dem Rentner im Seniorenheim oder dem klassischen BILD-Leser. Die Rede ist natürlich von "Killerspielen". Doch was verbirgt sich hinter diesem Wort. Rational betrachtet, eigentlich nichts. Der Begriff ist so schwammig und ungenau, dass er eigentlich jedes Spiel umfassen könnte, bei dem man "tötet". Politisch betrachtet ist es die Universallösung für jegliche Form solcher Gewaltausbrüche, wie der Amoklauf in Erfurt 02, oder jetzt in Winnenden.
Es ist genau das, was fast alle Politiker falsch machen. Wir nehmen uns einfache, vollkommen unausgegorene Lösungen für hochkomplexe Probleme. Denn wen man ehrlich ist, besitzen höchstens 5% der deutschen Politiker ein Grundwissen über das Medium Videospiele. Somit haben 95% keine Ahnung. Und wenn von diesen 95% nur 10% sich an der "Killerspieldebatte" beteiligen, ist das eine riesige Menge an Menschen, die über etwas diskutieren, dass sie nicht kennen. Das Ergebnis dieser Unwissenheit sind die abstrusen Vorstellungen einiger Politiker. Mir wäre es neu, dass man bei Counterstrike, Schulmädchen tötet. Genauso ist es mir neu, dass man bei Grand Theft Auto, Rentner überfährt und dann mit der Kettensäge zerteilt. Und diese zwei Beispiele sind ja schon regelrechte Oldies. Mal sehen, was man sich nach dem Massaker von Winnenden einfallen lässt. Aber warum macht es sich die Politik so einfach? Und warum glauben es ihnen so viele Menschen in unserem Land?
Das hat viele Gründe. An dieser Stelle muss man nämlich auch die vierte Gewalt im Stadt angreifen. Ein Politiker allein, "macht" noch keine Meinung. Wenn aber ein Fernsehsender oder eine Zeitung das Ganze verbreitet, dann sickern die Aussagen der Politik, in die eigenen Meinung vieler Menschen ein. Würden die Medien überprüfen, was sie abdrucken, wäre diese Debatte schon vor langer Zeit im Keim erstickt. Angesehene Blätter wie die Süddeutsche Zeitung oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung haben nach dem Amoklauf von Erfurt einen Mist abgedruckt, der jeglicher Grundlage entbehrte. Ob sie aus diesen Fehlern gelernt haben, muss leider bezweifelt werden. Denn schon jetzt kann man an einigen Stellen lesen, dass "Counterstrike" ein Teil des Tatmotivs von Tim K. gewesen sein soll, während seine Vorliebe für Schusswaffen bisher außen vor bleibt.
Warum? Warum immer auf die Computer-Spiele bzw -Spieler. Wie oben schon erwähnt. Man nimmt sich eine einfache Lösung auf ein schwieriges Problem. In Wirklichkeit wird so aber versucht, dass Versagen der Gesellschaft zu verschleiern. Es ist einfacher ein greifbares Objekt schlecht zu machen, als sich einzugestehen, dass wir einen jungen Menschen in die Verzweiflung getrieben haben. Das wir möglicherweise sein Flehen um Hilfe ignoriert haben. Das seine Mitschüler ihn gemobbt und gehänselt haben. Das es niemand aufgefallen ist, dass Tim K. immer ruhiger wurde, während seine Freude ein Schusswaffen immer Größer wurde. Wenn wir uns dieses gesellschaftliche und auch persönliche Versagen eingestehen könnten, wäre diese Killerspieledebatte niemals aufgekommen. Aber so ist der Mensch nicht.
Ich möchte hier auf niemanden mit dem Finger zeigen. Auch nicht auf die unzähligen Personen da draußen, die Waffen besitzen. Unser Waffengesetz ist eines der Strengsten. Das Problem ist nur, dass ein Gesetz so streng sein kann wie es will. Die Einhaltung muss auch kontrolliert werden. Dann wäre jemandem aufgefallen, wo sich die fehlende Waffe des Vaters von Tim K. befunden hat. Nämlich nicht im Waffenschrank, sondern im Schlafzimmer. Und da darf sie halt nicht sein! Ein Computerspiel tötet niemanden. Es ist die Schusswaffe, die für Amokläufer zu leicht zu beschaffen ist.
Jetzt lese ich gerade vom nächsten politischen Husarenritt. Metaldetektoren an Schulen. Solch ein Vorschlag gehört zur zweiten Kategorie, wie man solche Probleme nicht löst. Die erste Kategorie ist. Wir suchen uns einen Sündenbock. Computerspiele. Wir kümmern uns nicht um das Problem. Wir machen einfach irgendwas. Die zweite Kategorie ist. Wir beheben nicht die Ursache eines solchen Dramas. Wir versuchen verzweifelt das Ergebnis zu verhindern. Wen der Amokläufer nicht mit einer Waffe in die Schule kann, läuft er nicht Amok. Das der Mensch dann immernoch in einer dauerhaften psychischen Ausnahmesituation ist, interessiert scheinbar niemanden. Wenn er dann in einem Bahnhof Amok läuft, stellen wir dort auch noch Detektoren auf. Und so weiter...
Die wahre Lösung ist so einfach wie komplex. Wir müssen es endlich schaffen, gesellschaftlich zu reifen. Ein jeder von uns kann eine solche Tat verhindern. Behandelt Menschen nicht wie Luft, auch wenn es eigenartige, komische Personen sind. Gebt ihnen das Gefühl, dass ihr sie wahrnehmt. Interessiert euch für die Probleme Anderer. Redet mit Vertrauenspersonen, wenn auch auffällt, dass ein Mitschüler, -mensch sich plötzlich eigenartig benimmt. Auch der Trottel von nebenan kann ein netter Kerl sein, wenn man ihn erst mal kennengelernt hat.
Tim K. wurde nicht als Amokläufer geboren. Er wurde dazu gemacht. Und zwar von uns, der Gesellschaft. Und während ich das hier schreibe, reift irgendwo schon der Nächste heran.
Aber keine Panik. Wenn es soweit ist, kann man es sich ja ganz einfach machen.
Jens Kopper
P.S Dieser Text ist zu 100% subjektiv!
one of these mornings, it won't be very long, they will look for me, and I'll be gone...
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12.03.2009, 23:00 von
Jens.)